OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 14.01.2020 - 1 A 222/20.A - asyl.net: M30005
https://www.asyl.net/rsdb/m30005
Leitsatz:

Protokollierungspflicht in der mündlichen Verhandlung:

"Auch im Verwaltungsprozess gehört die Erteilung richterlicher Hinweise zu den "wesentli­chen Vorgängen der Verhandlung", die in die Niederschrift aufzunehmen sind (wie VGH BW, Beschl. v. 25.05.2018 - A 11 S 1123/18 -, VBlBW 2018, 474 = NVwZ-RR 2019, 164)."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Asylverfahren, Verwaltungsgericht, mündliche Verhandlung, richterlicher Hinweis, Protokoll, rechtliches Gehör, Niederschrift, wesentliche Förmlichkeit
Normen: VwGO § 105, VwGO § 108 Abs. 2, VwGO § 138 Nr. 3, ZPO § 160 Abs. 2, ZPO § 165, ZPO § 415, AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
Auszüge:

[...]

Nicht anders als im Zivilprozess (vgl. BGH, Urt. v. 20. Juni 2005 - II ZR 366/03 -, juris Rn. 5; Fritsche, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 160 Rn. 3; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 160 Rn. 2) gehört die Erteilung von richterlichen Hinweisen zu den "wesentlichen Vorgängen der Verhandlung" i.S.v. § 160 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 105 VwGO, die in die Niederschrift über die mündliche Verhandlung aufzunehmen sind (vgl. VGH BW a.a.O Rn. 4; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 105 Rn. 44; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 105 Rn. 17). Der ausführlich gehaltenen Niederschrift vom 3. September 2019, deren Berichtigung der Kläger weder ausdrücklich noch sinngemäß beim Verwaltungsgericht beantragt hat, ist die Erteilung von richterlichen Hinweisen in der mündlichen Verhandlung nicht zu entnehmen. Da die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 165 ZPO nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22. November 2010 - 2 B 8.10 -, juris 6), ist im Verfahren auf Zulassung der Berufung davon auszugehen, dass der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2019 keine Hinweise erteilt hat (vgl. Schübel-Pfister a a.O. Rn. 31; Ortloff/Riese, in Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand Juli 2020, § 105 Rn. 33). Die in § 165 ZPO geregelte Beweiskraft des Protokolls hinsichtlich der "vorgeschriebenen Förmlichkeiten" geht über die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden (§§ 415, 416a ff. ZPO) deutlich hinaus. Enthält die Niederschrift keine Angaben zur Erteilung richterlicher Hinweise, erbringt dies den vollen Beweis, dass solche Hinweise nicht erteilt wurden, wobei die Unrichtigkeit der Niederschrift nur durch den Nachweis der Fälschung (§ 105 VwGO i.V.m. § 165 Satz 2 ZPO) entkräftet werden kann. [...]