AG Paderborn

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Zitieren als:
AG Paderborn, Beschluss vom 19.10.2021 - 11 XIV(B) 168/21 - asyl.net: M30095
https://www.asyl.net/rsdb/m30095
Leitsatz:

Keine Fluchtgefahr wegen Identitätstäuschung bei Vorliegen von Passersatzpapieren:

Nach § 63 Abs. 3a Nr. 1 AufenthG wird Fluchtgefahr widerleglich vermutet, wenn in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise über die Identität getäuscht worden ist. Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - für den Betroffenen bereits ein Passersatzpapier vorliegt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Fluchtgefahr, Mitwirkungspflicht, Belehrung, Identitätstäuschung, Falschangabe,
Normen: AufenthG § 62 Abs. 3a Nr. 1,
Auszüge:

[...]

II.

Auf den zulässigen Antrag war die gegen den Betroffenen angeordnete Haft aufzuheben und deren Rechtswidrigkeit festzustellen.

Für den Betroffenen liegt kein Haftgrund gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 AufenthG vor. Der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG kann für den Betroffenen nicht festgestellt werden.

Im Einzelnen:

Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Nr. 6 AufenthG sind vorliegend nicht erfüllt, da der Betroffene weder ausdrücklich noch konkludent zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich der Abschiebung entziehen wird. Eine entsprechend konkrete Entziehungsabsicht kann anhand des dargelegten Verhaltens des Betroffenen im Hinblick auf den lediglich sporadischen Aufenthalt in seiner Unterkunft nicht festgestellt werden.

Weiterhin liegen auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3b Nr. 5 AufenthG nicht vor, da der Betroffene mit Schreiben vom 25.09.2019 nicht auf die Möglichkeit der Inhaftierung für den Fall der Nichterfüllung seiner Mitwirkungspflichten hingewiesen worden. Ferner wurde das Schreiben nicht übersetzt

Überdies ist auch § 62 Abs. 3a Nr. 3 AufenthG nicht als erfüllt anzusehen, da der Betroffene nicht untergetaucht ist. Er ist zumindest postalisch erreichbar und holt seine Post in unregelmäßigen Abständen in der Unterkunft ab. Ferner wurde der Betroffene bislang über seine Anzeigepflicht nicht in seiner Landessprache belehrt. Die am 05.07.2017 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgte Belehrung war lediglich in deutscher Sprache abgefasst.

Ferner liegen auch die Voraussetzungen des§ 62 Abs. 3a Nr. 1 AufenthG nicht vor. Insoweit fehlt es bereits an der konkreten Darlegung, wann der Betroffene wem gegenüber über seine Identität getäuscht hat Soweit der Betroffene sich im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht Marl darauf berufen hat, in Myanmar geboren zu sein, handelt es sich jedenfalls nicht um eine verfahrensrelevante Täuschungshandlung, welche auf die beabsichtigte Abschiebung des Betroffenen Einfluss nehmen könnte. Die antragstellende Behörde hat die Identität des Betroffenen bereits zweifelsfrei geklärt und für ihn ein Passersatzpapier am 26.08.2021 erhalten. [...]