EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 16.06.2022 - C-328/20 - Europäische Kommission gegen Österreich - asyl.net: M30715
https://www.asyl.net/rsdb/m30715
Leitsatz:

Familienleistungen für Wanderarbeitnehmer*innen dürfen nicht mit der Begründung abgesenkt werden, dass Kinder nicht im Mitgliedstaat leben:

Wanderarbeitnehmer*innen sind im Bezug auf Familienleistungen wie Kindergeld sowie steuerliche und soziale Vergünstigungen gegenüber inländischen Arbeitnehmer*innen grundsätzlich gleich zu behandeln. Die Republik Österreich hat durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag sowie durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen Art. 4 und 67 der VO 883/2004 (Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) sowie Art. 7 Abs. 2 der VO 492/2011 (Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union) verstoßen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Familienleistungen, Unionsrecht, Inländergleichbehandlung, EU-Staatsangehörige, Vertragsverletzungsverfahren, Kindergeld, Sozialleistungen,
Normen: VO 492/2011 Art. 7 Abs. 2, VO 883/2004 Art. 4, VO 883/2004 Art. 67, AEUV Art. 258,
Auszüge:

[...]

47 Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 ist daher dahin auszulegen, dass die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat wohnen, exakt jenen entsprechen müssen, die er Erwerbstätigen gewährt, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich rechtfertigen es die Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf diese Bestimmung nicht, dass ein Mitgliedstaat dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewährt als der ersten Personengruppe. [...]

109 Schließlich hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass Wanderarbeitnehmer mit den Steuern und Sozialabgaben, die sie im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Staats beitragen. Daher müssen ihnen diese Maßnahmen unter den gleichen Bedingungen zugutekommen wie inländischen Arbeitnehmern (Urteil vom 10. Juli 2019, Aubriet, C-410/18, EU:C:2019:582, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dadurch wird die Bedeutung des Ansatzes bestätigt, wonach Wanderarbeitnehmer in Bezug auf Familienleistungen sowie steuerliche und soziale Vergünstigungen gleichbehandelt werden müssen. [...]

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Republik Österreich hat durch die – auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom 24. Oktober 1967 in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom 4. Dezember 2018 geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom 7. Juli 1988 in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom 14. August 2018 und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom 4. Dezember 2018 geänderten Fassung zurückgehende – Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.

2. Die Republik Österreich hat durch die – auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom 24. Oktober 1967 in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom 4. Dezember 2018 geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom 7. Juli 1988 in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom 14. August 2018 und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom 4. Dezember 2018 geänderten Fassung zurückgehende – Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen. [...]