Strafbarkeit der Passlosigkeit:
1. Ein*e Ausländer*in macht sich auch dann wegen unerlaubten Aufenthaltes gem. § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG strafbar, wenn keine zumutbaren Anstrengungen zur Passbeschaffung unternommen werden.
2. Auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter dazu verpflichtet, Feststellungen zur Zumutbarkeit der Passbeschaffung zu treffen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
7 2. Nach diesen gesetzlichen Regelungen ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer gefordert, nicht nur an allen zumutbaren Handlungen mitzuwirken, die die Behörden von ihm verlangen, sondern darüber hinaus auch eigeninitiativ ihm mögliche und bekannte Schritte in die Wege zu leiten, die geeignet sind, die Passlosigkeit zu beseitigen. Zu den denkbaren Schritten kann auch die Einschaltung von Dritten (beispielsweise beauftragte Rechtsanwälte) im Herkunftsland gehören [...]. Hat ein Ausländer keine zumutbaren Anstrengungen unternommen, sich einen Pass oder Ausweisersatz zu beschaffen, macht er sich auch dann strafbar, wenn bei entsprechenden Bemühungen ein Passersatz ausgestellt werden müsste [...].
8 3. Gemessen an diesen Vorgaben lassen die unzureichenden Feststellungen des Landgerichts die Entscheidung, ob der Angeklagte freizusprechen ist, nicht zu. Zwar ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit normgerechten Verhaltens steht [...]. Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt jedoch bereits darin, dass sich den Ausführungen des Urteils nicht entnehmen lässt, ob und wie sich der Angeklagte eingelassen hat [...].
9 [...] Für die Bestimmung des Umfangs der Mitwirkungspflicht des Angeklagten und für die Frage der Zumutbarkeit war es unerlässlich, Feststellungen dazu zu treffen, unter welchen Umständen er den Iran verlassen hatte und welche Angaben er der Ausländerbehörde gegenüber im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Beschaffung eines Reisepasses getätigt hatte. [...]