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LG Meiningen

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Zitieren als:
LG Meiningen, Beschluss vom 06.08.2024 - 2 T 64/24 - asyl.net: M32646
https://www.asyl.net/rsdb/m32646
Leitsatz:

Eine in jeder Hinsicht rechtswidrige Haft: 

1. Eine Anordnung von Haft ist rechtswidrig ohne Bestellung einer anwaltlichen Vertretung (§ 62d AufenthG), die ausreichend Gelegenheit zur Teilnahme an der Haftanhörung hat. § 62d AufenthG gilt auch für die Überstellungshaft in Dublin-Verfahren. 

2. Die Angabe eines falschen Haftgrundes führt zur Unzulässigkeit des Haftantrages, da weder die richtige Rechtsgrundlage angegeben ist, noch eine ausreichende Begründung des Haftantrages vorliegt.  Bei einer Dublin-Überstellung nach Art. 28 Dublin III-VO ist § 62 Abs. 3 AufenthG gesperrt und kann nicht zur Begründung der Haft herangezogen werden.

3. Die Verkündung der Entscheidung in Abschiebehaftsachen ist nicht öffentlich. § 173 GVG ist nicht anwendbar. Wird in Abschiebehaftverfahren zu Unrecht die Öffentlichkeit zugelassen, kann ein absoluter Rechtsbeschwerdegrund vorliegen.

(Leitsätze der Redaktion)  

Schlagwörter: Überstellungshaft, Haftantrag, Anhörung, Pflichtanwalt, Nichtöffentlichkeit, öffentliche Sitzung,
Normen: FamFG § 62 Abs. 2 Nr. 1, FamFG § 417 Abs. 2, AufenthG § 62d, AufenthG § 2 Abs. 14 S. 4
Auszüge:

[...]

a) Die Rechtsverletzung folgt bereits daraus, dass es das Amtsgericht unterlassen hat, dem Betroffenen gem. § 62d AufenthG rechtzeitig einen anwaltlichen Vertreter zu bestellen. [...] Die Vorschrift gilt außerdem gem. § 2 Abs. 14 S. 4 AufenthG auch für die Haft nach Art. 28 Abs. 2 der VO (EU) 604/2013 (Dublin-III-VO). Die Bestellung muss so rechtzeitig erfolgen, dass eine anwaltliche Beratung des Betroffenen vor der Anhörung und Entscheidung des Gerichts gewährleistet ist, d.h. in der Regel unmittelbar nach Eingang des Antrags der Ausländerbehörde bei Gericht [...].

Außerdem fehlte es an einem ausreichenden Haftantrag. [...]

Es handelte sich hier um eine Haft im Dublin-Verfahren gem. Art. 28 Dublin-III-VO (Überstellungshaft). [...] § 62 Abs. 3 AufenthG war hier wegen des noch nicht beendeten Überstellungsverfahrens gesperrt [...]. Nach Auffassung des Gerichts zieht dies bereits die Unzulässigkeit des Haftantrags nach sich. [...] In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass aus einem Haftantrag hinreichend hervorgehen muss, ob eine Inhaftnahme nach Art. 28 Dublin-III-VO oder nach § 62 AufenthG beantragt ist, weil die Haftgründe unterschiedlich geregelt sind [...].

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass die Vorschriften über die Öffentlichkeit nicht ausreichend beachtet wurden. Nach § 170 Abs. 1 S. 1 GVG wird in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht öffentlich verhandelt. Freiheitsentziehungssachen gem. § 415 ff. FamFG sind Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 23a Abs. 2 Nr. 5 GVG). Die Nichtöffentlichkeit gilt auch für die Verkündung der Entscheidung in Abschiebehaftsachen, da § 173 GVG nicht anwendbar ist [...]. § 173 GVG gilt nur für die Verkündung von Urteilen sowie der Endentscheidungen in Ehesachen und Familienstreitsachen. Wird im Abschiebehaftverfahren zu Unrecht die Öffentlichkeit zugelassen, kann ein absoluter Rechtsbeschwerdegrund vorliegen. [...]