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OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2024 - 3 N 52/24 - asyl.net: M32677
https://www.asyl.net/rsdb/m32677
Leitsatz:

Aufklärungsmangel hinsichtlich Homosexualität

1. Das Zeugen von Kindern spricht nicht zwingend gegen Homosexualität.

2. Eine informatorische Anhörung eines Dritten kann dessen Ladung als Zeugen nicht ersetzen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: rechtliches Gehör, informatorische Befragung, Beweismittel, Zeugen, Sachaufklärungspflicht, Verfahrensfehler,
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5, VwGO § 86, AufenthG § 33
Auszüge:

[...]

Dieser Würdigung tritt das Zulassungsvorbringen durchgreifend entgegen und zeigt mit Erfolg auf, dass die von dem Verwaltungsgericht zugrunde gelegten tatsächlichen Umstände nicht ausreichen, um der Klägerin zu 2) eine wahrheitswidrig behauptete sexuelle Orientierung ihres Vaters entgegenzuhalten, die dem Ziel gedient habe, sich aufenthaltsrechtliche Vorteile zu verschaffen. So beanstandet das Rechtsmittel z.B. zu Recht, dass das Verwaltungsgericht die Aussage der in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehörten Klägerin zu 1) in seiner Würdigung nicht berücksichtigt hat, obwohl die Klägerin zu 1) auch Angaben zur sexuellen Orientierung des Herrn ..., dessen Kinderwunsch und der fehlenden Paarbeziehung gemacht hat. Ferner wendet der Zulassungsantrag zutreffend ein, dass das Verwaltungsgericht eine aus seiner Sicht vorgetäuschte Homosexualität nicht maßgeblich mit der Begründung annehmen durfte, Herr … lebe seine Sexualität offenbar mit Frauen aus, obwohl dem Verwaltungsgericht insoweit nur die - im Übrigen von der Klägerin zu 1) erläuterte - Zeugung der beiden Kinder bekannt war und dies allein noch nicht gegen Homosexualität sprechen muss. Weiterhin rügt der Zulassungsantrag zu Recht, dass das Verwaltungsgericht den Lebenspartner des Herrn … nicht als Zeugen gehört hat, obwohl sich dies hier geradezu aufgedrängt hätte.

Nach alledem kann offenbleiben, ob sich das angegriffene Urteil auch als Überraschungsentscheidung darstellt und gegen den Anspruch der Klägerinnen auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstößt. Ebenso wenig kommt es auf den weiteren Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO an, der darin liegt, dass das Verwaltungsgericht Herrn … als nicht am Verfahren beteiligten Dritten in der mündlichen Verhandlung ohne prozessuale Grundlage u.a. zu seiner als entscheidungserheblich angesehenen sexuellen Orientierung lediglich "informatorisch" befragt [...] und dessen Erklärungen als "Ergebnis der Beweisaufnahme" zu Lasten der Klägerin zu 2) gewürdigt hat [...]. Die informatorische Anhörung eines Dritten durch das Gericht zur Überprüfung von Tatsachenbehauptungen stellt grundsätzlich kein prozessual zulässiges Beweismittel dar und kann die gebotene Zeugenvernehmung des Dritten gemäß §§ 96 Abs. 1, 98 VwGO, §§ 373 ff. ZPO, aufgrund derer das Gericht die entscheidungserheblichen – streitigen oder zu überprüfenden - Tatsachen zu würdigen hat, nicht ersetzen (vgl. dazu auch im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2022 – 2 B 41/21 – juris Rn. 24). [...]