Austausch der beigeordneten Pflichtanwältin/des beigeordneten Pflichtanwalts bei Abschiebungshaft möglich:
1. Die in der Rechtsprechung zu § 140 ff. StPO entwickelten Grundsätze zum Recht auf den Austausch eines Pflichtanwalts können auf die Abschiebungshaft übertragen werden.
2. Muss die betroffene Person eine anwaltliche Vertretung unter hohem zeitlichen Druck in der Inhaftierungssituation und ohne eine angemessene Überlegungsfrist treffen, ist ihr regelmäßig einmal die Gelegenheit zu geben, die anwaltliche Vertretung besonnen nach einer entsprechenden Überlegungszeit zu wechseln.
(Leitsätze der Redaktion. Ebenso: LG Augsburg, Beschluss vom 15.04.2024 - 051 T 918/24 - asyl.net: M32346; LG Halle, Beschluss vom 5.12.2024 - 1 T 222/24 - asyl.net: M32900; für einen Austausch gem. § 78 Abs. 1 FamFG: LG Koblenz, Beschluss vom 24.09.2024 - 2 T 359/24 - asyl.net: M32724)
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Auch wenn die Vorschriften der Bestellung eines Pflichtverteidigers in Strafverfahren gemäß §§ 140 ff. StPO nicht anwendbar sind, kann für die neu geschaffene Regelung auf Grund der Vergleichbarkeit des Sachverhalts und des Zwecks auf die dazu durch die Rechtsprechung und den Gesetzgeber entwickelten Grundsätze abgestellt werden.
Gemäß § 142 Abs. 5 StPO ist vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht.
Gemäß § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen. wenn dem Beschuldigten zur Auswahl des Verteidigers keine oder nur eine kurze Frist gesetzt wurde, der Beschuldigte innerhalb von drei Wochen nach Bekanntmachung der gerichtlichen Entscheidung über die Bestellung die Neubestellung beantragt und dem kein wichtiger Grund entgegensteht.
Der Grundsatz des fairen Verfahrens gewährleistet das Recht des Beschuldigten, sich im Verfahren von einem gewählten Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, der ihm deshalb - wenn möglich und wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen - auch als Pflichtverteidiger beizuordnen ist. Denn durch die Beiordnung soll ein Beschuldigter grundsätzlich den gleichen Rechtsschutz erhalten, wie ein Beschuldigter, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat [...].
Dieser geschützten Interessenlage ist durch eine vorherige Anhörung des Beschuldigten nach seinen Wünschen vor einer Pflichtverteidigerbestellung Rechnung zu tragen. Danach soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Verteidigers zunächst Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Kann die Anhörung nicht erfolgen oder wurde dem Beschuldigten zuvor nicht eine angemessene Überlegungszeit eingeräumt, so liegt, wenn der Beschuldigte alsbald einen anderen Verteidiger wünscht und ohne dass es auf eine Störung der Vertrauensbeziehung zu dem bestellten Pflichtverteidiger ankommt, ein wichtiger Grund für die Änderung der Pflichtverteidigerbestellung vor, so dass dem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts grundsätzlich zu entsprechen ist [...].
Dabei hat die Länge der gewährten Frist zur Benennung eines Anwalts ausweislich der Gesetzesbegründung zum § 143a StPO [...] Auswirkungen auf das Recht zur Auswechslung des Pflichtverteidigers. Um dem Recht des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen Anwalt seines Vertrauens bzw. seiner Wahl gerecht zu werden, erfasst die Regelung des § 143a StPO u.a. Fälle, in denen der Beschuldigte eine Auswahl unter hohem zeitlichen Druck treffen musste. Hier soll er einmalig die Gelegenheit haben, zur Verwirklichung seiner Rechte einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen. In diesen Fällen hat die Rechtsprechung schon bisher ein Recht auf Verteidigerauswechslung anerkannt. Eine kurze Frist wird jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn sie lediglich auf eine kurze Bedenkzeit reduziert war; darüber hinaus ist die Frage der für eine besonnene Auswahl angemessene Länder der Frist eine Frage des Einzelfalls, die von der Rechtsprechung zu konkretisieren ist (BT-Drs. 19/13829, S. 47). [...]