Verhältnis zwischen ausländerrechtlicher Wohnsitzauflage und strafgerichtlicher Weisung zur Wohnsitznahme:
1. Weisungen nach § 56c StGB können einem ausländischen Verurteilten nur zu einem Verhalten erteilt werden, das ihm ausländerrechtlich erlaubt ist.
2. Die Weisung nach § 56c StGB, an einem bestimmten Ort zu wohnen, führt nicht automatisch zum Wegfall einer kollidierenden ausländerrechtlichen Wohnsitzauflage.
3. Die Weisung ist von der Ausländerbehörde des Ortes, für den die Wohnsitzauflage besteht, aber gebührend bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, ob sie die Wohnsitzauflage ändert, um dem Ausländer die Erfüllung der Weisung zu ermöglichen.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Der Antragsteller begehrte bis zur Erledigung des Rechtsstreits mit dem Hauptantrag den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin (Stadtgemeinde Bremen) verpflichtet werden sollte, ihm eine Duldung (§ 60a AufenthG) zu erteilen. Es war jedoch offensichtlich, dass allein ein beim Verwaltungsgericht Hannover zu stellender (§ 73 Abs. 2 Nr. 3 Nds. Justizgesetz) Eilantrag gegen den Beigeladenen (einen niedersächsischen Landkreis) Erfolgsaussichten gehabt hätte. Denn es war in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht offensichtlich, dass der beigeladene niedersächsische Landkreis die örtlich zuständige Ausländerbehörde war. [...]
a) Dem Antragsteller war vor der Erledigung des Rechtsstreits eine Duldung zuletzt im Jahr 2018 vom Beigeladenen mit einer Wohnsitzauflage für die Gemeinde erteilt worden, die im Gebiet des Beigeladenen liegt. Nach dem Auslaufen dieser Duldung im Jahr 2019, an das sich zunächst keine weitere Duldung anschloss, galt diese Wohnsitzauflage fort (vgl. § 51 Abs. 6 AufenthG). Zudem ergab sich für den Antragsteller, der vollziehbar ausreisepflichtig und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, aus § 61 Abs. 1d Satz 1 und 2 AufenthG eine kraft Gesetzes bestehende Wohnsitzauflage für das Gebiet des Beigeladenen, weil der Antragsteller bei der (bis zur Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits) letzten Aussetzung seiner Abschiebung dort gewohnt hatte. [...]
2. Für die Auffassung des Antragstellers, die Weisung aus dem Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts vom 27.03.2024 - -, wonach er eine amtliche Anmeldung bei der Adresse seiner Verlobten in Bremen nachzuweisen hat, habe einen von der ausländerrechtlichen Wohnsitzauflage abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt begründet, gibt es keine gesetzliche Grundlage.
a) Weder das AufenthG noch das StGB sehen vor, dass eine solche Bewährungsweisung eine ausländerrechtliche Wohnsitzauflage automatisch abändert, aufhebt oder quasi "überholt". Vielmehr darf sich eine Weisung in einem Bewährungsbeschluss nur auf ein Verhalten beziehen, das nicht gesetzwidrig ist [...]. Es war Aufgabe des Antragstellers, entweder umgehend eine Änderung der Wohnsitzauflage beim Beigeladenen zu beantragen, damit er die Weisung des Amtsgerichts ohne Rechtsverstoß erfüllen kann (wie er es letztendlich auch erfolgreich getan hat), oder alternativ dem Amtsgericht mitzuteilen, dass er die Weisung aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen kann. Das Amtsgericht hätte die Weisung im letztgenannten Fall aufheben oder ändern können (§ 56e StGB). Hätte das Amtsgericht die Nichterfüllbarkeit der Weisung stattdessen zum Anlass genommen, die Bewährung zu widerrufen, wäre dies keine "Strafe" für einen Verstoß gegen eine "Pflicht" in Bremen zu wohnen, gewesen, sondern lediglich eine Folge daraus, dass eine vom Amtsgericht für die Gewährung einer Bewährung als notwendig angesehene Voraussetzung (ein Zusammenwohnen des Antragstellers mit seiner Verlobten) rechtlich unmöglich ist.
b) Dies bedeutet nicht, dass die strafgerichtliche Weisung an einen Verurteilten nach § 56c StGB, an einem bestimmten Ort zu wohnen, ausländerrechtlich irrelevant wäre. Bei ihrer (Ermessens-)Entscheidung, ob sie die mit der Weisung kollidierende Wohnsitzauflage ändert (§ 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG), muss die Ausländerbehörde des Ortes, für den die Wohnsitzauflage besteht, gebührend berücksichtigen, dass das Strafgericht den Wohnortwechsel für erforderlich und geeignet hält, um den Ausländer ohne Vollstreckung der Freiheitsstrafe von weiteren Straftaten abzuhalten. [...]