Rechtswirksame Zustellung nur bei ordnungsgemäßem Zustellungsversuch möglich:
"1. Die rechtsschutzverkürzende Folge des § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG kann vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nur dann Bestand haben, wenn es sich um einen ordnungsgemäßen Zustellungsversuch gehandelt hat, woran es etwa fehlt, wenn der Betroffene unter der Anschrift, an die zugestellt werden sollte, tatsächlich gewohnt hat, weil dann nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungszustellungsgesetzes hätte zugestellt werden können.
2. Zum Nachweis, dass der Schutzsuchende an der Anschrift tatsächlich gewohnt hat, kann jedenfalls im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren auch ein Auszug aus dem amtlichen Einwohnermelderegister dienen."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
7 Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. AsylG muss die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. [...]
8 a) Die am 25. Juli 2024 erhobene Klage wahrte die Klagefrist. Die Klagefrist beginnt nach § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Ablauf des Tages der Zustellung des Bescheides. Sie endet nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den die Zustellung fällt.
9 (1) Die Klagefrist begann nicht mit Zustellung des Bescheids, da eine solche nicht erfolgte. Ausweislich der Blätter 159f. des Verwaltungsvorgangs der Beklagten konnte der Bescheid den Antragstellern nicht zugestellt werden, da der "Adressat unter der angegeben Anschrift nicht zu ermitteln" sei.
10 (2) Die Klagefrist begann auch nicht mit Aufgabe des Bescheids zur Post am 18. Oktober 2023. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG hat der Schutzsuchende während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes stets erreichen können, insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen. Über die Pflicht zur Anzeige eines Anschriftenwechsels hinaus umfasst die Vorsorgepflicht grundsätzliches alles, was die Erreichbarkeit des Asylbewerbers für die Behörden berührt und vor allem zu den Voraussetzungen eines erfolgreichen postalischen Zugangs einer schriftlichen Mitteilung durch diese gehört. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift muss der Betroffene unter anderem Zustellungen, unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren – wie hier zum Zeitpunkt des Zustellungsversuchs – weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat. Kann eine Sendung an der letzten bekannten Anschrift nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
11 Zwar konnte den Antragstellern der Bescheid am 23. Oktober 2023 unter der Adresse ... in ... Berlin nicht zugestellt werden, dafür war jedoch eine Verletzung der Meldeverpflichtung nicht ursächlich. Die Zustellungsfiktion kann nur eintreten, wenn die Verletzung der Mitwirkungspflichten für das Fehlschlagen der Übersendung ursächlich war. So greift die Zustellungsfiktion nicht ein, wenn eine mögliche Zustellung durch Aushändigung, Ersatzzustellung oder Niederlegung nicht versucht wurde [...]. Die scharfe Folge des § 10 Abs. 2 AsylG kann vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes nur dann Bestand haben, wenn es sich um einen ordnungsgemäßen Zustellungsversuch gehandelt hat, woran es etwa fehlt, wenn der Betroffene unter der Anschrift, an die zugestellt werden sollte, tatsächlich gewohnt hat, weil dann nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungszustellungsgesetzes hätte zugestellt werden können [...]. Nach der im Eilverfahren einzig möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Prüfung lebten die Antragsteller vom 9. August 2023 bis zum 1. Juli 2024 – und damit zum Zeitpunkt des Zustellversuchs – in der Aufnahmeeinrichtung ... in ... Berlin. Dies belegt vorliegend die Auskunft aus dem amtlichen Melderegister. Dem diesbezüglichen Vortrag der Antragsteller ist die Antragsgegnerin auch nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen ist dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt, dass es an der o.g. Anschrift regelmäßig zu Problemen bei der Zustellung kommt und Schreiben unberechtigterweise als unzustellbar zurückgeschickt werden. [...]