Ärztliche Untersuchung bei Zweifeln des Alters einer Person (UMF):
Steht die Volljährigkeit einer Person, die angibt, minderjährig zu sein, nicht zweifelsfrei fest, so muss vor Beendigung der Inobhutnahme ein Vormund oder zumindest eine Notvertretung bestellt, deren Anhörung durchgeführt und eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung vorgenommen werden.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Diese Anerkennung vermittelt vorliegend § 36 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - SGB I -, der vorsieht, dass derjenige, der das 15 Lebensjahr vollendet hat, Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen kann. Soweit es dem Antragsteller - wie hier - um die mit der Inobhutnahme verbundenen jugendhilferechtlichen Begünstigungen wie Unterbringung, Verpflegung und Betreuung in einer Jugendhilfeeinrichtung geht, ist eine Prozessfähigkeit auf der Grundlage dieser Vorschrift gegeben, auch wenn die Inobhutnahme als solche nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Sozialleistung im Sinne von § 11 SGB I darstellt [...].
Das vorliegend durchgeführte Altersfeststellungsverfahren stellt sich als fehlerhaft dar, weil es diesen gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Denn obwohl hier Zweifel an der Volljährigkeit bestehen, hat die Antragsgegnerin es unterlassen, eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Nach den dargelegten Maßstäben kann weder gesichert davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller minderjährig, noch dass er volljährig ist. [...]
Zwar liegen einige Anhaltspunkte vor, die auf die Volljährigkeit des Antragstellers hindeuten. So wurden im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme äußerliche Merkmale des Antragstellers wahrgenommen, die typischerweise bei einer Volljährigkeit vorliegen. Auch wurden in den Angaben des Antragstellers vereinzelte Widersprüche hinsichtlich seines Alters bzw. des zeitlichen Verlaufes seines Lebens deutlich. Jedoch vermögen diese Gesichtspunkte die Volljährigkeit des Antragstellen nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit zu begründen. So kann die Widersprüchlichkeit des Vortrags des Betroffenen über sein Alter vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern keine besondere Bedeutung beigemessen wird und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht beigemessen wird [...], nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. [...]
Bei dieser Sachlage wäre - wie vom Gesetzgeber vorgesehen - eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung vorzunehmen gewesen. [...]