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VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Beschluss vom 28.04.2025 - 1 L 281/25.A - asyl.net: M33285
https://www.asyl.net/rsdb/m33285
Leitsatz:

Keine Ablehnung als offensichtlich unbegründet bei drohendem Wehrdienst in der Russischen Föderation: 

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, wonach ein 30-jähriger männlicher Antragsteller bei einer Rückkehr nach Russland keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK wegen der drohenden Entsendung in den Ukrainekrieg befürchten muss. Die Bewertung der Erkenntnislage ist in der Rechtsprechung umstritten und muss daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. 

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Russische Föderation, Militärdienst, Ukraine, Asylfolgeantrag, offensichtlich unbegründet, Tschetschenien, Tschetschenen, interne Fluchtalternative,
Normen: AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 8, VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Entgegen der im Bescheid vertretenen Auffassung bestehen nämlich im Zeitpunkt der Entscheidung des Einzelrichters (§ 77 Abs. 1 AsyfG) ernstliche Zweifel daran, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Russland keine zu Art 3 EMRK in Widerspruch stehende Einberufung zum Wehrdienst oder eine Zwangsrekrutierung für den Einsatz im völkerrechtswidrigen Ukraine-Krieg droht. [...]

Die Bewertung der dahingehenden Erkenntnislage für Russland und Tschetschenien ist in der unter- und obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Überwiegend sehen die Gerichte eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine unfreiwillige Entsendung in den Uklaine-Krieg entweder durch einen entsprechenden Einsatz im Grundwehrdienst für grundsätzlich alle 18- bis 30-jährigen Russen oder durch eine Zwangsrekrutierung als Vertragssoldat, die aufgrund der Völkerrechtswidrigkeit dieses Kriegseinsatzes eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung [...] darstellen würde […]. Ebenso umstritten ist in der Folge die Frage, ob tschetschenischen Rückkehrern gegen eine ihnen in Tschetschenien insbesondere drohende Zwangsrekrutierung [...] ein interner Schutz [...] in Russland zur Verfügung steht [...] oder ob Grundwehrdienstleistenden auch außerhalb von Tschetschenien die Gefahr eines Einsatzes in der Ukraine oder im Kriegsgebiet an der russisch-ukrainischen Grenze droht [...]. Die vorgenannten Fragen stellen sich auch im Fall des Antragstellers, der heute 30 Jahre alt und damit noch im "richtigen" Alter für den russischen Wehrdienst ist. Die abschließende Klärung der Frage, ob dem Antragsteller (der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wiederum aus dem Wehrdienstalter raus sein wird) subsidiärer Schutz zu gewähren ist, muss angesichts der offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache vorbehalten bleiben. [...]