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VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Beschluss vom 09.10.2025 - 10 L 839/25.A - asyl.net: M33651
https://www.asyl.net/rsdb/m33651
Leitsatz:

Frauen droht die ernsthafte Gefahr einer erniedrigenden Behandlung in Griechenland: 

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rückkehr junger, gesunder Männer nach Griechenland ist nicht auf Frauen übertragbar. Die zugrundezulegenden Bedürfnisse von Frauen etwa an Unterkünfte sind andere. Öffentlichen Unterkünften fehlt es meist an geschlechtergetrennten Räumen. 

(Leitsätze der Redaktion, so auch: VG Saarland: Beschluss vom 07.10.2025 – 3 L 1653/25 – asyl.net: M33663

Schlagwörter: Griechenland, internationaler Schutz in EU-Staat, Frauen, Unterbringung,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, EMRK Art. 3, GRCh Art. 4, VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des in der Hauptsache angefochtenen Bescheids den Asylantrag der Antragstellerin nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt. Ob diese Entscheidung einer rechtlichen Überprüfung standhält, unterliegt derzeit jedoch ernstlichen Zweifeln und bedarf gegebenenfalls näherer Aufklärung im Hauptsacheverfahren. [...]

bb. Auch ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls ernstlich zweifelhaft, ob die in Bezug auf männliche nichtvulnerable Drittstaatsangehörigen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist, ergangene Rechtsprechung des BVerwG auf weibliche Drittstaatsangehörige übertragen werden kann. Soweit dies vereinzelt unter Verweis auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Lage in Italien angenommen wird,

vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2025 - W 4 S 25.33868 -, juris, Rn. 32 ff. unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24/23 -, juris, Rn. 88 

vermag dies die Kammer schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die in den genannten bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen jeweils vorgenommenen Beurteilungen der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lagen in Italien bzw. Griechenland maßgeblich von den tatsächlichen Verhältnissen in den jeweiligen Staaten abhängen, die naturgemäß divergieren (können), sodass in Bezug auf Italien getroffene Feststellungen nicht ohne Weiteres auf Griechenland übertragen werden können. Überdies erscheint die Übertragbarkeit der bzgl. Italien praktizierten Gleichbeurteilung der Lage hinsichtlich männlicher und weiblicher Schutzberechtigter auf die Beurteilung der Situation in Griechenland auch deshalb ernstlich zweifelhaft, weil das BVerwG seiner Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder über-stellungsrelevanten Lage in Italien von vornherein eine andere, nämlich gegenüber der bei seiner Beurteilung der Lage in Griechenland in den Blick genommenen Personengruppe weiter gefasste und gerade nicht – wie dort – auf männliche Personen begrenzte Personengruppe zugrunde legte. 

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 1 C 24.23 -, juris, Rn. 88; dazu auch schon soeben unter aa. 

Auch unabhängig davon bestehen ernstliche Zweifel an der Übertragbarkeit der in Bezug auf männliche Drittstaatsangehörige getroffenen Bewertung auf weibliche Personen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist. So hat das BVerwG etwa zum Erhalt einer Unterkunft ausgeführt, dass für nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte weder die Möglichkeit einer Unterkunft in staatlichen Einrichtungen, noch der Zugang zu einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt hinreichend wahrscheinlich ist, für nichtvulnerable männliche Schutzberechtigte jedoch aktuell nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Griechenland dort nicht zumindest eine (ggf. temporäre, wechselnde) Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen, die von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betrieben werden, finden können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.April 2025 - 1 C 18.24-, juris,Rn. 35 ff., 43,

Diese Annahme ist im Rahmen der vorliegend allein summarischen Prüfung nach Auffassung der Kammer derzeit nicht uneingeschränkt auf die Personengruppe der alleinstehenden Frauen übertragbar. Denn für diese Personengruppe dürften ungeachtet eines möglicherweise mit alleinstehenden männlichen Schutzberechtigten vergleichbaren Durchsetzungsvermögens jedenfalls weitergehende bzw. andere Bedürfnisse anzunehmen sein. Etwa handelt es sich bei möglicherweise erreichbaren Notunterkünften häufig um Unterkünfte ohne Rückzugsräume, die ausschließlich von (fremden) Männern bewohnt werden.

Vgl. etwa VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. August 2025 - 18a L 1375/25.A -, juris, Rn. 30 f.; VG Hamburg, Beschluss vom 13. August 2025 - 12 AE 5505/25 -, juris, Rn. 6; VG Hannover, Beschluss vom 6. August 2025 - 2 B 7190/25 -, juris, Rn. 23 f., und VG Gießen, Beschluss vom 16. Juli 2025 - 1 L 3807/25.GI.A -, juris, Rn. 10 ff.

Die Kammer hält daher derzeit für die Personengruppe der weiblichen international Schutzberechtigten weiterhin an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest und geht davon aus, dass für Angehörige dieser Personengruppe im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland dort die ernsthafte Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK besteht. [...]