OVG Niedersachsen

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OVG Niedersachsen, Urteil vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06 - asyl.net: M8177
https://www.asyl.net/rsdb/m8177
Leitsatz:

1. § 14a Abs. 2 AsylVfG ist auch auf ein lediges, unter 16 Jahre altes ausländisches Kind eines Ausländers, das nach der Asylantragstellung des Ausländers und vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereist ist oder vor dem genannten Stichtag im Bundesgebiet geboren wurde, anwendbar.

2. Die Regelung des § 14a Abs. 2 AsylVfG ist mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG ebenso vereinbar wie mit der Grundrechtsgewährleitung des Art. 16a GG.

(Amtliche Leitzsätze)

Schlagwörter: Asylantrag, Antragsfiktion, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Rückwirkung, Altfälle, isolierte Anfechtungsklage, Rechtsschutzbedürfnis, Verfahrensrecht, Vertrauensschutz, Asylverfahrensrichtlinie
Normen: AsylVfG § 14a Abs. 2; AsylVfG § 26; AsylVfG § 73 Abs. 2a; GG Art. 20 Abs. 3; GG Art. 16a Abs. 1; GG Art. 6; RL 2005/85/EG
Auszüge:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

1. Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Zwar hat der Adressat des eine Begünstigung ablehnenden Verwaltungsakts im Normalfall kein prozessuales Wahlrecht zwischen Anfechtung der Ablehnung und Verpflichtung zur Begünstigung. Anders ist dies jedoch jedenfalls dann, wenn sich das Klageziel aus anerkennenswerten Gründen auf die Beseitigung der Ablehnung beschränkt, weil der Kläger von einer Begünstigung (noch) keinen Gebrauch machen will, aber die Wirkung der Ablehnung beseitigen muss, weil mit dieser festgestellt wird, dass kein Anspruch auf die Begünstigung besteht (Hufen, Friedhelm, Verwaltungsprozessrecht, 4. Auflage München 2000, § 14 Rn. 20). Unter diesen Voraussetzungen ist die isolierte Anfechtung des ablehnenden Bescheids ohne gleichzeitige Verpflichtungsklage auf Begünstigung statthaft.

Derartige anerkennenswerte Gründe für die isolierte Anfechtung des Bescheids des Bundesamtes vom 25. Oktober 2005 liegen bei den Klägern vor. Den Klägern geht es allein und gerade um die "isolierte" Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Bundesamts, da sie die Rechtswidrigkeit der Durchführung des Verwaltungsverfahrens als solche rügen und sie nicht die Verpflichtung der Beklagten begehren, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, oder hilfsweise, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Die Kläger erstreben keine Anerkennung als Asylberechtigte. Daher enthält der ablehnende Asylbescheid des Bundesamtes eine durch ein allein kassatorisches Urteil getrennt zu beseitigende Belastung (Hufen, a.a.O., Rn 21), die zur ausnahmsweisen Statthaftigkeit der isolierten Anfechtungsklage führt.

2. Der angefochtene Bescheid ist nicht mangels eines beachtlichen Asylantrags der Kläger rechtswidrig. Zwar haben die Kläger selbst einen Asylantrag im Sinne des § 13 AsylVfG nicht gestellt. Es liegen aber die Voraussetzungen der Antragsfiktion nach § 14 a Abs. 2 AsylVfG vor.

Da die Eltern der Kläger auch beide abgelehnte Asylbewerber sind, die im Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige über die Geburt der Kläger beim Bundesamt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hatten und die derzeit geduldet werden, ist allein fraglich, ob der Anwendbarkeit des § 14 a Abs. 2 AsylVfG entgegensteht, dass die Kläger bereits vor dessen In-Kraft-Treten - nämlich 1993 bzw. 1997 - im Bundesgebiet geboren wurden. Dies ist nicht der Fall. Denn § 14 a Abs. 2 AsylVfG ist auch auf vor dem 1. Januar 2005 im Bundesgebiet geborene Kinder (sog. "Altfälle") anwendbar.

a) Eine ausdrückliche Regelung seines zeitlichen Anwendungsbereichs enthält § 14 a Abs. 2 AsylVfG nicht. Ebenfalls ist eine allgemeine Übergangsregelung für mit dem Zuwanderungsgesetz in das Asylverfahrensgesetz neu eingefügte Bestimmungen weder im Zuwanderungsgesetz noch im Asylverfahrensgesetz enthalten.

b) Für die Anwendbarkeit des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf die Kläger sprechen der Wortlaut der Bestimmung, die Systematik ihres Regelungszusammenhanges sowie der Sinn und Zweck der Norm.

Der Wortlaut des § 14 a Abs. 2 AsylVfG sieht als Rechtsfolge die Fiktion der Asylantragstellung vor, wenn ein lediges, unter 16 Jahre altes und damit nach dem Asylverfahrensgesetz nicht handlungsfähiges Kind, dessen Eltern oder Elternteil ein Asylverfahren betreiben oder sich nach dessen Abschluss ohne Aufenthaltstitel oder nur mit einem solchen nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Bundesgebiet aufhalten, ins Bundesgebiet einreist oder hier geboren wird, und dies dem Bundesamt angezeigt wird. Die Vorschrift enthält von ihrem Wortlaut her keine weiteren Einschränkungen, insbesondere nicht solche, die den Zeitpunkt von Einreise oder Geburt näher konkretisieren. Eine solche Einschränkung kann auch nicht aus der Verwendung der Zeitform des Präsens in § 14 a Abs. 2 AsylVfG anstelle des Perfekts gezogen werden. Denn der Gesetzgeber hat insoweit nicht durch eine einheitliche Verwendung der Zeitformen im Zuwanderungsgesetz, dessen Artikel 3 das Asylverfahrensgesetz betrifft, erkennen lassen, dass er an deren Verwendung in zeitlicher Hinsicht jeweils unterschiedliche Folgen knüpfen wollte. Dies folgt aus den Regelungen des § 15 a Abs. 1 und 6 AufenthG, die ebenso wie die Änderungen des Asylverfahrensgesetzes Teil des Zuwanderungsgesetzes sind, und in denen der Gesetzgeber die Perfektform ausdrücklich nur für Fälle nach dem Inkrafttreten zum 1. Januar 2005 verwendet (VG Hamburg, Beschluss vom 11. August 2005, - 17 AE 565/05 -, juris; VG Hannover, Beschluss vom 22. Juli 2005, - 12 B 4062/05 -, www.asyl.net). Auch in § 1 Abs. 1 AsylVfG wird der Anwendungsbereich des Asylverfahrensgesetzes in der Präsensform umschrieben, ohne dass hieraus zu schließen wäre, das Asylverfahrensgesetz sei auf Ausländer, die bereits Asyl oder Abschiebungsschutz beantragt haben, nicht anwendbar (VG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Juni 2005, - A 4 K 10611/05 -, juris). Die sprachliche Fassung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG lässt damit Rückschlüsse auf den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm nicht zu.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts (ebenso argumentierend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. Februar 2006, - OVG 3 B 35.05 -) kann auch aus der Verwendung des Wortes "unverzüglich" nicht geschlossen werden, dass damit Geburten oder Einreisen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 von der Regelung nicht erfasst werden sollten. "Unverzüglich" bedeutet nach der auch im öffentlichen Recht geltenden (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Februar 1992, - 18 A 226/92.A -, NWVBl 1992, 295; anders allein für den Begriff im Europäischen Gemeinschaftsrecht BVerwG, Urteil vom 25. November 1993, - BVerwG 3 C 48.91 -, BVerwGE 94, 316) Legaldefinition in § 121 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Ein solches Handeln ohne schuldhaftes Zögern ist - anders als etwa ein "sofortiges" Handeln im Sinne von "in unmittelbarer Folge, gleich hinterher" (Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bde. [in 32 Teilbänden]. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960. Quellenverzeichnis 1971 "sofort") aber auch dann möglich und denkbar, wenn die Handlungspflicht erst gesetzlich neu begründet wird. Ab dem Zeitpunkt der Begründung der Handlungspflicht ist dann gegebenenfalls zu prüfen, ob deren Erfüllung schuldhaft verzögert wurde. Ein "sofortiges" oder "unmittelbares" Handeln hat der Gesetzgeber demgegenüber gerade nicht gefordert, sodass aus der Verwendung des Wortes "unverzüglich" nicht geschlossen werden kann, dass sogenannte Altfälle nicht erfasst werden sollen.

Nichts anderes folgt daraus, dass die Norm mit § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG einen Aufenthaltstitel nennt, der erst mit dem In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 eingeführt worden ist. Eine Vorschrift, die im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes neu erlassen worden ist, verwendet wegen ihres systematischen Zusammenhangs die Begrifflichkeiten des übrigen Gesetzeswerkes. Schlüsse auf ihren zeitlichen Anwendungsbereich im Übrigen lassen sich hieraus nicht ziehen.

Systematisch steht § 14 a Abs. 2 AsylVfG in einem Zusammenhang mit der ebenfalls geänderten Vorschrift des § 26 AsylVfG. Die Neufassung des § 26 AsylVfG fordert seit dem 1. Januar 2005 die Asylantragstellung des Familienasyl begehrenden Kindes eines anerkannten Elternteils unverzüglich nach der Einreise nicht mehr, weil die Fiktionswirkung des § 14 a AsylVfG nunmehr diese Antragstellung sicherstellt (VG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Juni 2005, - A 4 K 10611/05 -, juris).

Demgegenüber können entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts unter systematischen Gesichtspunkten Schlussfolgerungen aus § 73 Abs. 2a AsylVfG n.F. nicht gezogen werden. Die - streitige - Frage der Anwendbarkeit des § 73 Abs. 2a AsylVfG auf Widerrufs- und Rücknahmefälle aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 ist dadurch gekennzeichnet, dass bei diesen Altfällen der Bestandskraft fähige Entscheidungen des Bundesamtes vorliegen und eine Anwendung des § 73 Abs. 2a AsylVfG auf diese Entscheidungen dazu führen würde, dass einer Behörde - etwa bei unterbliebener Ermessensausübung - die Nichtbeachtung einer Vorschrift vorgehalten würde, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch nicht galt und die sie nicht beachten konnte (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. April 2005, - 13 A 654/05 A -, Asylmagazin 2005, 42, 43). Die Nichtanwendbarkeit des § 73 Abs. 2a AsylVfG auf Widerrufs- und Rücknahmeentscheidungen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 ergibt sich daraus, dass bei Widerrufs- und Rücknahmeentscheidungen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 bereits abgeschlossene Verfahrensabschnitte vorliegen, die nur nach dem im Zeitpunkt ihres Ergehens geltenden Recht beurteilt werden können. Ein derartiges, zumindest in Teilschritten abgeschlossenes Verwaltungsverfahren (Bayerischer VGH, Urteil vom 10. Mai 2005, - 23 B 05.30217 -, Asylmagazin 2005, 42) ist in den Fällen des § 14 a Abs. 2 AsylVfG aber gerade nicht ersichtlich, sodass eine Gleichsetzung beider Fälle aus systematischer Hinsicht nicht in Betracht kommt.

Für eine Anwendung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf sogenannte Altfälle sprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit dem Zuwanderungsgesetz verfolgte der Gesetzgeber u.a. das Ziel, die Durchführung des Asylverfahrens zu straffen und zu beschleunigen sowie dem Missbrauch von Asylverfahren entgegenzuwirken (vgl. BT-Ds. 15/420, S. 1, A. Problem und Ziel). Der neu eingefügte § 14 a Abs. 2 AsylVfG hat hierbei den Zweck, zu verhindern, dass "durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltsdauern in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen" (vgl. BT-Ds. 15/420, S. 100); mit dieser Regelung "würden auch die in der Vergangenheit regelmäßig als notwendig erachteten Altfall- und Härtefallregelungen weitgehend entfallen können" (ebenda). Diese deutlich negative Bewertung der vorgefundenen bzw. zumindest im Rahmen seines politischen Gestaltungsspielraumes angenommenen Ausgangssituation, die der Gesetzgeber zum Anlass für die Einführung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG genommen hat, legt eine möglichst weit greifende Auslegung der Novellierung nahe.

c) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts. Nach diesen Grundsätzen sollen neue Rechtsnormen, wie sich aus dem Wesen und der Funktion des Rechts ergibt und wie es im Zweifel auch dem Willen des Normgebers entspricht, grundsätzlich ab sofort für die Zukunft und unabhängig davon gelten, wie die Materie bisher geregelt war (Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, SGb 1993, 593, 595). Fehlt es an ausdrücklichen Regelungen des Gesetzgebers, so lassen die neuen Rechtsvorschriften allein bereits nach früherem Recht eingetretene Rechtswirkungen und Rechtsfolgen unberührt und unterwerfen sie hinsichtlich ihres weiteren Schicksals allenfalls für die Zukunft dem neuen Recht.

Ferner gilt die allgemeine Regel, dass für Verwaltungsverfahren, die erst unter der Geltung neuen Verwaltungsverfahrensrechts begonnen und durchgeführt werden, das neue Verwaltungsverfahrensrecht gilt (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1989, - BVerwG 8 C 85.87 -, NJW 1990, 590). Bereits aufgehobene oder abgeänderte Verfahrensregelungen finden grundsätzlich nur noch dann Anwendung, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich regelt (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2005, - KRB 28/04 -, www. bundesgerichtshof.de/). Dies gilt für neue Bestimmungen auf dem Gebiete des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens (BGH, Beschluss vom 15. Februar 1978, - IV ZB 76/77 -, NJW 1978, 1260; BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1982, - BVerwG 9 B 3520.82 -, BVerwGE 66, 312, 314; BSG, Urteil vom 22. März 1984, - 6 RKa 14/81 -, BSGE 56, 222, 225 m.w.N.; vgl. auch BFH, Urteil vom 1. Dezember 1987, - IX R 90/86 -, BFHE 152, 17, 21) und grundsätzlich auch dann, wenn sich das neue Verfahrensrecht für die Beteiligten oder für einzelne Beteiligte nachteilig auswirkt (Kopp/Schenke, a.a.O.). Die genannten Grundsätze gelten als ungeschriebenes Recht für die Ausfüllung von Lücken und auch als Auslegungshilfen für die Klärung unklarer Rechtsvorschriften (Kopp/Schenke, a.a.O.; Kopp, SGb 1993, 593 [594 f.]). Im Prozessrecht (hierzu Niedersächsisches OVG, Urteil vom 16. Januar 1998, - 1 K 5279/96 -, NdsRPfl 1998, 228; Beschluss vom 17. August 2005, - 8 LA 243/04 -, NdsVBl 2006, 53) werden diese Grundsätze ihrerseits eingeschränkt durch den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Rechtsmittelsicherheit, nachdem bereits eingelegte Rechtsmittel von einem gesetzlich neu eingeführten Rechtsmittelausschluss nicht berührt werden (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992, - 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 -, BVerfGE 87, 48).

Demgegenüber unterstehen materiell-rechtliche Rechtsverhältnisse in Bezug auf Wirkung und Inhalt im allgemeinen dem Recht, das zu der Zeit galt, als sich ihr Entstehungstatbestand verwirklichte (BFH, Urteil vom 18. Mai 1988, - X R 63/82 -, BFHE 154, 241; BGH, Urteil vom 18. Oktober 1965, - II ZR 36/64 -, BGHZ 44, 192, 194 ff.; BGH, Urteil vom 14. Januar 1987, - IVb ZR 65/85 -, NJW 1987, 893). Ein abgeschlossener Sachverhalt - insbesondere die Entstehung eines subjektiven Rechts (auch: eines Anspruchs) - beurteilt sich nach dem im Entstehungszeitpunkt geltenden Recht; neues Recht will in der Regel nur diejenigen Tatbestände erfassen, die nach seinem Inkrafttreten entstanden sind.

Die Frage, ob und wodurch ein Asylverfahren eingeleitet wird, ist eine solche rein verfahrensrechtlicher Natur. Der Asylanerkennungsbescheid ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt; er setzt - nach bisherigem Recht - nach §§ 13, 14 AsylVfG einen Antrag auf Asylanerkennung voraus (Bayerischer VGH, Urteil vom 10. September 1991, - 19 BZ 90.30695 -, BayVBl. 1992, 21). Das Anerkennungsverfahren nach dem Asylverfahrensgesetz ist ein Verwaltungsverfahren im Sinne von § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG (Laubinger, Asyl und "kleines Asyl", VerwArch 76 (1985), 201 (207); zur Anwendbarkeit des VwVfG: Stelkens, Grundsätze des Verwaltungsverfahrens im Asylverfahren, ZAR 1985, 15 [16 f.]). Ein antragsabhängiges Verwaltungsverfahren darf grundsätzlich ohne Antrag nicht durchgeführt werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Oktober 1985, - 11 A 16/84 -, NVwZ 1986, 576), es sei denn, eine besondere Rechtsvorschrift bestimmt eine verfahrensrechtliche Antragspflicht (Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 22 Rn. 26). Letzteres ist hier der Fall. Durch § 14 a Abs. 2 AsylVfG wird eine Anzeigepflicht über einen Tatbestand geregelt mit der Folge, dass mit dem Zugang der Anzeige beim Bundesamt ein solcher Asylantrag wirksam als gestellt gilt (Marx, AsylVfG, 6. Auflage München 2005, § 14 a Rn. 1) und mit der weiteren Folge der Durchführung eines Asylverfahrens. Hierdurch wird ein verfahrensrechtliches Rechtsverhältnis begründet. Ein materiell-rechtliches Rechtsverhältnis besteht demgegenüber sogar bis zur Anerkennung des Asylbegehrens nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 3. August 1989, - BVerwG 9 B 266.89 -, Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 12) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1989, - 2 BvR 1737/88 -, juris ) steht das Asylgrundrecht unter einem Verfahrensvorbehalt. Dies ergibt sich aus der engen Verknüpfung des materiellen Asylrechts mit dem Verfahrensrecht (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1987, - BVerwG 9 C 285.86 -, BVerwGE 78, 332 [343 ff.]). Das Asylrecht ist ein "verwaltetes Grundrecht" (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1987, - BVerwG 9 C 285.86 -, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1989, - 2 BvR 1737/88 -, juris). Der politisch Verfolgte muss es erst in einem Anerkennungsverfahren zur Geltung bringen und einen entsprechenden Feststellungsakt erwirken (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253). Er kann es erst nach Erwirkung des Anerkennungsaktes geltend machen (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253 [259]). Bis dahin hat er keine der materiellen Rechtslage entsprechende Rechtsposition. Er ist lediglich zur Antragstellung befugt und hat ein vorläufiges Bleiberecht. Besteht aber sogar bis zur Asylanerkennung kein materiell-rechtliches Rechtsverhältnis, so kann ein solches erst recht weder durch die Einreise des Ausländers in das Bundesgebiet, seine Geburt im Bundesgebiet, seine Asylantragstellung oder aber durch die hier vorliegende Konstellation - die Fiktion der Asylantragstellung - begründet werden. Damit ist § 14 a Abs. 2 AsylVfG eine bloße Verfahrensvorschrift ohne materiell-rechtlichen Gehalt, die nach den genannten Grundsätzen des intertemporalen Rechts einschränkungslos anwendbar ist und damit auch die Fälle, in denen - wie bei den Klägern - Einreise oder Geburt vor dem 1. Januar 2005 stattgefunden haben, erfasst.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG bestehen weder unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips (a]) noch unter denen des Art. 16 a GG in seiner Ausprägung als negatives Asylgrundrecht (b]). Die Vorschrift ist auch mit gemeinschaftrechtlichen Rechtsnormen vereinbar (c]).

a) Eine Anwendung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auch auf sogenannte Altfälle verstößt nicht gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004, - 2 BvR 2029/01 -, BVerfGE 109, 133-190) in Form des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots oder des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Denn in der Anwendung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem 1. Januar geborene oder eingereiste Kinder liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung, sondern allenfalls eine tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte Rückwirkung"), die jedenfalls durch überwiegende Interessen des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist.

Denn die Fiktion eines Asylverfahrens für vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereiste oder hier geborene Kinder, deren Eltern den in der Norm weiter genannten aufenthaltsrechtlichen Status haben, stellt eine nach dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Norm eintretende Rechtsfolge für Gegebenheiten aus der Zeit vor der Verkündung des Gesetzes - für Geburt oder Einreise - dar. Der Vergangenheitsbezug ergibt sich aus dieser Anknüpfung an die frühere Geburt oder Einreise. Im Ausland geborene Kinder gelangen durch die Einreise, im Bundesgebiet geborene Kinder durch die Geburt in den Anwendungsbereich des Asylverfahrensgesetzes (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1997, - BVerwG 9 C 35.96 -, BVerwGE 104, 362-367); hieran knüpft § 14 a Abs. 2 AsylVfG an.

Liegt eine bloße tatbestandliche Rückanknüpfung vor, so ist das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung gegen die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1984, - 2 BvL 19/82 -, BVerfGE 67, 1,15; BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2002, - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 -, BVerfGE 105, 17, 40).

Ein schutzwürdiges Vertrauen der von der Neuregelung betroffenen Personen - oder wenigstens ihrer gesetzlichen Vertreter - ist nicht ersichtlich. Denn das Asylgrundrecht steht - wie gezeigt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 3. August 1989, - BVerwG 9 B 266.89 -, Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 12) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1989, - 2 BvR 1737/88 -, juris ) wegen der engen Verknüpfung des materiellen Asylrechts mit dem Verfahrensrecht (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1987, - BVerwG 9 C 285.86 -, BVerwGE 78, 332, 343 ff.) unter einem Verfahrensvorbehalt, und muss als "verwaltetes Grundrecht" (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1987 - BVerwG 9 C 285.86 - a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1989, - 2 BvR 1737/88 -, juris) erst in einem Anerkennungsverfahren zur Geltung gebracht und kann erst nach Erwirkung des Anerkennungsaktes geltend gemacht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253, 259) werden; der Asylsuchende hat bis dahin keine der materiellen Rechtslage entsprechende Rechtsposition. Wegen dieser Besonderheit ist sogar ein Vertrauen darauf, dass die materielle Rechtslage während eines Asylverfahrens unverändert bleiben werde, sachlich nicht gerechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1987, - BVerwG 9 C 285.86 -, BVerwGE 78, 332). Dies muss dann aber erst recht gelten, wenn ein Asylverfahren überhaupt noch nicht betrieben oder auch nur eingeleitet wurde.

b) § 14 a Abs. 2 AsylVfG verstößt auch dann nicht gegen Art. 16 a Abs. 1 GG, wenn diese Gewährleistung auch das negative Asylgrundrecht in dem Sinne, von diesem Recht keinen Gebrauch machen zu müssen, umfassen sollte (so VG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Juni 2005, - A 4 K 10611/05 -, juris).

Das Asylrecht kann nur im Wege eines rechtlich geregelten Verfahrens geltend gemacht werden. Die geltende Gesetzeslage geht verfahrensrechtlich nicht von einem bei jedem Antragsteller vorgegebenen Asylrecht aus, das im gegebenen Fall erst "aberkannt" werden müsste, sondern anerkennt es erst zufolge eines von dem Asylsuchenden zu erwirkenden und notfalls auch zu erstreitenden förmlichen Feststellungsaktes (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253). Das Asylverfahren muss das materielle Asylrecht gewährleisten; der allgemeine Grundsatz des Grundrechtsschutzes durch Verfahren gilt auch hier (Stelkens, a.a.O., ZAR 1985, 15, 16).

Jedoch ist bei der Anwendung des Verfahrensrechts dem Grundrechtsschutz des Einzelnen nicht aus sich heraus immer der Vorrang einzuräumen; es muss vielmehr eine Abwägung sowohl mit dem Grundrechtsschutz anderer Beteiligter als auch mit den Verfassungsprinzipien, die die Interessen der Allgemeinheit schützen, stattfinden (Stelkens, a.a.O., S. 16). Insoweit ist die Verwirklichung des Asylrechts nicht der alleinige Zweck des Asylverfahrens. Neben der Abwehr unberechtigter Asylbegehren dient es auch bei begründeten Ansprüchen der Rechtssicherheit (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253). Das Erfordernis der Rechtssicherheit gilt auch im Vorfeld einer möglichen Befassung der Gerichte; es gebietet auch, dass überall dort, wo Akte mit dem Anspruch rechtlicher Verbindlichkeit gesetzt werden, den Betroffenen möglichst schnell Gewissheit über das für sie Verbindliche zuteil werde (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253). Auch das Asylverfahren hat den Zweck, dem Asylbewerber möglichst schnell Klarheit über seine Asylberechtigung zu verschaffen (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1981, - 2 BvR 413/80 u.a. -, BVerfGE 56, 216). Die Bestandskraft allgemein hat ferner eine hohe Bedeutung für die Handlungsfähigkeit des Staates und damit für seine Funktion, Freiheit zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253).

Unter Berücksichtigung des aus Art 6 Abs. 1 GG folgenden Familienschutzes, der in bestimmten Fällen auch die Wahrung der Familieneinheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 1998, - 2 BvR 99/97 -, FamRZ 1998, 1497) verlangen kann, können es diese allgemeine Funktion der Bestandskraft und die weiteren Zwecke des Asylverfahrens auch rechtfertigen, eine einheitliche Entscheidung zu möglichen Asylgründen für alle Mitglieder eines Familienverbandes herbeizuführen. Denn nur über eine solche einheitliche Entscheidung bezüglich der Mitglieder eines Familienverbandes lassen sich die genannten weiteren Funktionen des Asylverfahrens - die Abwehr unberechtigter Asylbegehren und die Gewährleistung von Rechtssicherheit (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982, - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253) - verwirklichen. Die humanitäre Zielsetzung des Asylverfahrensrechts, jedem Asylbewerber so schnell wie möglich Klarheit über seinen Asylantrag zu verschaffen (BVerfG, Beschluss vom 7. Juni 1994, - 2 BvR 334/94 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1981, - 1 BvR 413/80 -, BVerfGE 56, 216, 236 f; Pagenkopf, Die Neuregelung des Asylverfahrensrechts, NVwZ 1982, 590, 591), lässt es als sachgerecht erscheinen, bei Familienverbänden jedenfalls dann ein Asylverfahren für weitere Familienmitglieder auch von Amts wegen einzuleiten, wenn bezüglich weiterer, die Familieneinheit bildender Familienmitglieder ein solches bereits durchgeführt wurde.

c) Eine Unvereinbarkeit des § 14 a Abs. 2 AsylVfG mit Gemeinschaftsrecht (erwägend Renner, Asylverfahrensrichtlinie, ZAR 2004, 305, 307) wegen Verstoßes gegen die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. Nr. L 326 S. 13) kann schon deshalb nicht festgestellt werden, weil diese Richtlinie nach ihrem Art. 43 noch eine Umsetzungsfrist bis zum 1. Dezember 2007 hat.