Neue Rechtsprechungsübersicht zu in Griechenland "Anerkannten"

Zahlreiche Asylsuchende, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, haben zuvor bereits in Griechenland ein Asylverfahren durchlaufen und dort einen Schutzstatus erhalten. Die Mehrheit der Gerichte geht mittlerweile davon aus, dass diesen Personen bei einer Rückkehr nach Griechenland menschenrechtswidrige Behandlung droht. Die aktuelle Rechtsprechungsübersicht zeichnet die Entwicklung der gerichtlichen Entscheidungspraxis zu diesem Thema nach.

Berichten zufolge haben im bisherigen Jahr 2021 monatlich rund 1.000 Personen Asyl in Deutschland beantragt, denen in Griechenland ein Schutzstatus gewährt worden war. Diese Personengruppe wird auch als "Anerkannte" bezeichnet. Im Unterschied zu anderen Personen, die aus europäischen Staaten einreisen, fallen die "Anerkannten" nicht unter die sogenannte Dublin-III-Verordnung. In der Regel werden auch ihre Asylanträge – ähnlich wie in "Dublin-Fällen" – allerdings als unzulässig abgelehnt, weil davon ausgegangen wird, dass ein anderer EU-Staat für ihre Aufnahme zuständig ist. Im Zentrum der Gerichtsverfahren um die "Anerkannten" steht die Frage, ob für sie die Rückkehr in den anderen EU-Staat zumutbar ist. Die Schwelle zu einer Unzumutbarkeit ist insbesondere dann überschritten, wenn den Betroffenen bei Rückkehr unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. Art. 4 der Grundrechte-Charta der EU (GR-Charta) droht.

Andreas Meyerhöfer (Pro Asyl) hat in seiner Rechtsprechungsübersicht die Entscheidungspraxis in Bezug auf in Griechenland "Anerkannte" seit Anfang des Jahres 2020 untersucht. Seine Auswertung ergänzt damit unsere Rechtsprechungsübersicht vom Januar 2019 (Link unten). Der Autor kommt zu den folgenden Ergebnissen:

  • Bei besonders schutzbedürftigen Menschen (beispielsweise Familien mit kleinen Kindern) mit Anerkennung in Griechenland kommen die ausgewerteten Entscheidungen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Rückkehr der Betroffenen nach Griechenland als unzumutbar zu bewerten ist.
  • Nicht alle, aber die klare Mehrheit der Gerichte ist inzwischen der Auffassung, dass dies auch für alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Männer gilt. Auch bei dieser Gruppe gehen die Gerichte mittlerweile überwiegend davon aus, dass sie bei einer Rückkehr nach Griechenland keine Gelegenheit hätten, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. So seien die Betroffenen von Obdachlosigkeit sowie von Verelendung bedroht, da sie rechtlich und in der Praxis keinen Zugang zu einer Unterbringung, zu Arbeit und zu Sozialleistungen oder anderen Unterstützungsleistungen hätten. In den letzten Monaten haben sich mit dem OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – asyl.net: M29253) und dem OVG Niedersachsen (Urteil vom 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – asyl.net. M29568) auch zwei Obergerichte auf der Grundlage einer umfangreichen Auswertung von Länderberichten mit der Frage befasst und sind zu dem Schluss gekommen, dass schutzberechtigte Personen in Griechenland von menschenrechtswidriger Behandlung bedroht sind.

Eine erweiterte Fassung der Rechtsprechungsübersicht, die unter anderem noch weitere aktuelle Länderinformationen zur Lage in Griechenland enthält, ist als Beitrag im aktuellen Asylmagazin (Ausgabe 6/2021) erschienen.


Hinweis

Aufgrund vielfältiger Gesetzesänderungen können einzelne Arbeitshilfen in Teilen nicht mehr aktuell sein. Wir bemühen uns, so schnell wie möglich eine aktualisierte Version zu verlinken. Bis dahin bitten wir Sie, auf das Datum der Publikation zu achten und zu überprüfen, ob die Informationen noch korrekt sind.

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