Unbegleitete minderjährige Asylsuchende erhalten in Großbritannien in der Regel eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung, die speziell für diese Gruppe geschaffen wurde. Diese Genehmigung läuft mit Erreichen des Alters von 17,5 Jahren ab. Anschließende Anträge auf einen Aufenthaltsstatus werden laut der Studie zumeist abgelehnt, sodass Abschiebungen ehemaliger unbegleiteter Minderjähriger häufig vorkämen. So seien nach Zahlen des britischen Innenministeriums seit dem Jahr 2007 insgesamt 2.748 ehemalige unbegleitete Minderjährige zwangsweise in ihre Herkunftsstaaten zurückgeführt worden, davon die überwältigende Mehrheit (2.018) nach Afghanistan. Eine gründliche Beobachtung der Lebenssituation der Rückkehrer habe nicht stattgefunden.
Diese Lücke versucht die Studie mit den Titel "After Return: documenting the experiences of young people forcibly removed to Afghanistan" zu schließen. Hierfür wurden 25 männliche Rückkehrer im Zeitraum März 2014 bis Dezember 2015 regelmäßig interviewt. Mit 16 weiteren Personen, die sich ebenfalls zur Teilnahme an der Studie bereit erklärt hatten, kam nach der Abschiebung kein Kontakt mehr zustande, obwohl das RSN einen Mitarbeiter in Kabul als Kontaktperson benannt hatte. Dass eine so hohe Zahl von Personen unmittelbar nach der Ankunft schon nicht mehr erreichbar war, wird in der Studie als besorgniserregend bezeichnet.
In den Interviews mit den 25 teilnehmenden Rückkehrern wurde u.a. nach Beziehungen zu Familie und Freunden, nach der Beschäftigungssituation sowie nach der Gesundheitssituation gefragt.
- In Bezug auf die sozialen Beziehungen wurde festgestellt, dass zwar 17 der Rückkehrer Kontakt mit ihren Familien aufnahmen, aber nur 12 von ihnen wieder bei ihren Familien unterkamen. 13 seien somit in einer Situation gelandet, wo sie vollkommen ohne oder nur mit sehr schwachen familiären oder sozialen Netzwerken über die Runden kommen mussten.
- Kriminalität und die schlechte Sicherheitslage wurden als ein wichtiges Problem benannt: Drei Rückkehrer wurden nach eigenen Angaben aus den gleichen Gründen bedroht, die auch zu ihrer ursprünglichen Flucht aus Afghanistan geführt hatten (etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie). Sieben Personen gaben an, allein aufgrund ihres Status als Rückkehrer Ziel von Drohungen geworden zu sein. Darüber hinaus waren 12 der 25 interviewten Personen Augenzeugen von Bombenattentaten oder Kampfhandlungen geworden.
- Die Mehrzahl der Rückkehrer zeigten Symptome psychischer Probleme, die häufig auch Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit hatten. Dies war besonders der Fall bei Personen, die in Großbritannien wegen psychischer Störungen in Behandlung gewesen waren. Eine Fortsetzung der Behandlung erwies sich in Afghanistan zumeist als unmöglich.
- Nur zwei der Rückkehrer hatten vorübergehend Zugang zum Bildungssystem, also die Möglichkeit, weiterführende Schulen oder Hochschulen zu besuchen.
- In Großbritannien erworbene Schulabschlüsse hatten für die Rückkehrer nur geringen Nutzen, da sie nicht anerkannt wurden oder nicht nachgewiesen werden konnten.
- Nur fünf der Rückkehrer übten während der achtzehn Monate der Studie länger als drei Monate eine Beschäftigung aus, die übrigen zwanzig Personen waren dauerhaft arbeitslos oder arbeiteten nur gelegentlich als Tagelöhner.
Aufgrund der schlechten Lebensperspektiven gaben 19 der 25 interviewten Personen an, dass sie Afghanistan wieder verlassen wollten. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Studie hatten sechs der befragten Personen dies in die Tat umgesetzt, der Aufenthaltsort von 11 weiteren Rückkehrern war unbekannt.