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VGH Baden-Württemberg: Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung des BAMF bei Asylantragsablehnung

In einem aktuellen Urteil hat der VGH Baden-Württemberg entschieden, dass die regelmäßig vom BAMF in ablehnenden Asylbescheiden genutzte Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft ist. Damit wurde durch ein Obergericht eine Frage geklärt, die bislang von Verwaltungsgerichten uneinheitlich beurteilt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellt in seinem Urteil vom 18.4.2017 fest, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die ablehnenden Bescheiden im Asylverfahren regelmäßig angefügt wird, "unrichtig" im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO ist. Laut VGH ist die Formulierung, dass die Rechtsbehelfe "in deutscher Sprache abgefasst" sein müssen, irreführend und würde die Rechtsverfolgung erschweren.

Als Folge des Urteils ist in entsprechenden Fällen die Einlegung von Rechtsmitteln innerhalb eines Jahres nach Zustellung des BAMF-Bescheids zulässig - die sonst nach § 74 Abs. 1 AsylG geltenden Rechtsmittelfristen von ein bis zwei Wochen greifen aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung nicht.

In der Vergangenheit hatten verschiedene Verwaltungsgerichte die Frage unterschiedlich beurteilt, ob der Hinweis des BAMF auf die Notwendigkeit der "Abfassung" in deutscher Sprache missverständlich ist oder nicht. Aus diesen VG-Entscheidungen ist ersichtlich, dass das BAMF die so formulierte Rechtsbehelfsbelehrung bei allen Arten ablehnender Bescheide einsetzte, sei es bei der Ablehnung als "unzulässig", als "offensichtlich unbegründet" oder auch bei der Einstellung des Asylverfahrens, z.B. wegen eines nicht wahrgenommenen Anhörungstermins.

Im konkreten Fall vor dem VGH Baden-Württemberg hatte ein Schutzsuchender aus Togo die einwöchige Frist verpasst, um Klage und Eilrechtsschutz gegen die Ablehnung seines Asylantrags als "offensichtlich unbegründet" einzulegen. Die etwa vier Wochen nach Ablauf der regulären Rechtsbehelfsfrist erhobenen Rechtsmittel wurden vom VG Stuttgart in erster Instanz als unzulässig abgewiesen.

Demgegenüber erachtete der VGH Baden-Württemberg die Klage als nicht verfristet. Die reguläre Klagefrist werde nur bei ordnungsgemäß erfolgter Rechtsbehelfsbelehrung in Gang gesetzt, so der VGH. Da die Belehrung im angefochtenen Bescheid jedoch fehlerhaft war, sei die Klageerhebung nach § 58 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des BAMF-Bescheids zulässig.

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erläutert der VGH, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung auch dann "unrichtig" i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie bei der betroffenen Person einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorrufen könnte und sie dadurch davon abhalten könnte, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen.

Die Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung des BAMF, wonach die Klage gegen den Bescheid "in deutscher Sprache abgefasst sein" müsse, könne bei Adressaten den Eindruck erwecken, dass die Klage beim Verwaltungsgericht schriftlich eingereicht werden müsse, obwohl sie nach § 81 Abs. 1 S. 2 VwGO auch "zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle" erhoben werden kann. Dabei geht der VGH davon aus, dass der Begriff "abfassen" nach dem überwiegenden Sprachgebrauch als Verschriftlichung einer Erklärung verstanden wird. Einige Verwaltungsgerichte, etwa das VG Berlin (Beschluss vom 16.11.2016 - 6 L 1249.16 A - asyl.net: M24434) oder VG Oldenburg (Beschluss vom 20.10.2016 - 15 B 5090/16 - asyl.net: M24740), waren in ihren Entscheidungen über die BAMF-Belehrung davon ausgegangen, dass dem passiven Gebrauch des Verbs "abfassen" nicht entnommen werden könne, dass die betroffene Person selbst für die Schriftform zu sorgen hätte. Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer mündlich erhobenen Klage, die dann von Angestellten des Verwaltungsgerichts niedergeschrieben wird, sei von dieser Formulierung erfasst. Daher hatten diese Gerichte die Belehrung als nicht missverständlich bewertet. Der VGH aber stellt in seiner Entscheidung auf die lebensnahe Betrachtungsweise der Adressaten von Asyl-Bescheiden ab und ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der mündlichen Klageerhebung aus der Formulierung des BAMF nicht deutlich genug hervorgeht.

Laut VGH solle Betroffenen mit der Möglichkeit der mündlichen Klageerhebung der Rechtsschutz erleichtert werden, wenn sie, beispielsweise auch mangels ausreichender deutscher Sprachkenntnisse, den Weg zum Gericht vorziehen. Die vom BAMF genutzte Formulierung erschwere ihnen die Rechtsverfolgung allerdings in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise.

Ähnlich wie das VG Düsseldorf (Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 - 22 K 4119/15.A - asyl.net: M24429) und VG Meiningen (Beschluss vom 27.12.2016 - 8 E 21331/16 Me - asyl.net: M24544), sieht der VGH es als unerheblich an, ob die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung im Einzelfall kausal für die verspätete Klageerhebung war, da § 58 VwGO den Lauf der Fristen, unabhängig davon, ausschließlich von der Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung abhängig mache.

Einige Verwaltungsgerichte, etwa das VG Düsseldorf, hatten zusätzlich noch den Hinweis auf die Notwendigkeit der Abfassung in deutscher Sprache als irreführend erachtet, da es für die mündliche Klageerhebung bei der VG-Geschäftsstelle ausreicht, wenn die betroffene Person hinreichend verständlich zu erkennen gibt, dass sie einen Rechtsbehelf einlegen will. Der VGH ließ diese Frage angesichts des bereits fehlerhaften Hinweises auf die Schriftform dahinstehen.

Andere Verwaltungsgerichte stellten darauf ab, dass die Rechtsbehelfsbelehrung, wenn sie Angaben über die Form des Rechtsbehelfs macht, alle Möglichkeiten der Einlegung zu benennen hat, also auch die mündliche Erhebung bei der Geschäftsstelle. Da in Nordrhein-Westfalen darüber hinaus auch die Möglichkeit besteht, Rechtsmittel auf elektronischem Weg einzulegen, hatte etwa das VG Köln (Beschluss vom 06.02.2017 - 8 L 2129/16.A - asyl.net: M24754) darauf hingewiesen, dass auch diese Möglichkeit benannt werden muss.

Trotz zulässiger Rechtsmittel hatte der Betroffene im vorliegenden Fall vor dem VGH keinen Erfolg. Der VGH wies die Berufung des Klägers zurück, weil er den Asylantrag in der Sache als unbegründet erachtete.

Die Revision wurde vom VGH nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Urteils Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

  • Einschlägige Gerichtsentscheidungen zu der fraglichen Rechtsbehelfsbelehrung des BAMF sind unter den Schlagwörtern „Rechtsmittelbelehrung“ und "abfassen" in der Rechtsprechungsdatenbank auf asyl.net abrufbar.

Hinweis

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