Zur Unzulässigkeit der Leistungsausschlüsse für Personen mit Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der EU-Freizügigkeitsverordnung

Durch Gesetzesänderungen, die zum 1. Januar 2021 in Kraft treten, werden Regelungen im SGB II und im SGB XII gestrichen, die bestimmte Gruppen von EU-Bürger*innen sowie deren Familienangehörige von Sozialleistungen ausschlossen. Die GGUA Flüchtlingshilfe und der Informationsverbund Asyl und Migration veröffentlichen hier Hintergrundinformationen zum Thema.

Informationen zur Unzulässigkeit von Leistungsausschlüssen im dt. Sozialrecht

Die Gesetzgebung reagiert mit der Abschaffung der Leistungsausschlüsse u.a. auf eine Entscheidung des EuGH vom 6. Oktober 2020 (C-181/19, Jobcenter Krefeld, Widerspruchsstelle gg. JD, asyl.net: M28910). Darin hatte der EuGH festgestellt, dass der pauschale und vollständige Ausschluss von Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der sogenannten EU-Freizügigkeitsverordnung (Verordnung 492/2011) unionsrechtswidrig ist. Eben einen solchen pauschalen Ausschluss hatten bislang sowohl das SGB II (Ausschluss von der Grundsicherung im alten § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c SGB II) als auch das das SGB XII vorgesehen (Ausschluss von der Sozialhilfe im alten § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB XII).

Nach Art. 10 der EU-Freizügigkeitsverordnung hat ein Kind eines EU-Bürgers oder einer EU-Bürgerin, der/die in Deutschland beschäftigt ist oder beschäftigt war, das Recht auf Schulbesuch sowie auf eine Berufsausbildung. Aus diesem Recht folgt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auch ein Recht des Kindes auf den Aufenthalt in Deutschland. Das Aufenthaltsrecht erstreckt sich darüber hinaus auch auf die Eltern bzw. auf den Elternteil, der die elterliche Sorge ausübt.

Aufgrund der Regelung können also vor allem in Deutschland berufstätige EU-Bürger*innen und deren (schulpflichtige) Kinder ein Aufenthaltsrecht erwerben, das auch fortwirkt, wenn der Arbeitsplatz verloren geht. Allerdings sind auch Konstellationen denkbar, in denen die Kinder sowie ein Elternteil, der die Personensorge ausübt, Staatsangehörige eines Nicht-EU-Staates sind. Auch sie können sich auf die Regelung berufen, da es allein darauf ankommt, dass der Elternteil, der in Deutschland gearbeitet hat, EU-Bürger*in ist. Somit ist es möglich, dass auch Personen, die keine EU-Bürger*innen sind, ein Aufenthaltsrecht aus der Regelung des Art. 10 der EU-Freizügigkeitsverordnung ableiten können.

Bislang waren Personen, die ihr Aufenthaltsrecht aus dieser Vorschrift ableiteten, durch die o.g. Bestimmungen vom Zugang zu Sozialleistungen ausgeschlossen. Die Streichung dieser Leistungsausschlüsse wurde nun durch das "Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze" vorgenommen, das am 14. Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt erschienen ist (BGBl. I Nr. 61, S. 2855 ff.).

Claudius Voigt (GGUA Flüchtlingshilfe Münster) hat die Entscheidung des EuGH und die sich daraus ergebenden Konsequenzen im Asylmagazin kommentiert. Wir veröffentlichen hier seine Anmerkungen in aktualisierter Fassung als Arbeitshilfe.