VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 20.01.1998 - 5 K 3419/93.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13370
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Monarchisten, Familienangehörige, Kinder, Asylberechtigte, Sippenhaft, Sicherheitskräfte, Schikanen, Hausdurchsuchung, Festnahme, Bedrohung, Folter, Glaubwürdigkeit
Normen: GG Art. 16a
Auszüge:

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG sowie auf Feststellung, daß in ihrer Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

Das Gericht glaubt der Klägerin den in ihrer schriftlichen Antragsbegründung, in der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und in der mündlichen Verhandlung widerspruchsfrei vorgetragenen Kern ihres Asylbegehrens, wegen der politischen Aktivitäten ihrer Kinder ins Blickfeld der iranischen Behörden geraten zu sein, und nach der Flucht ihrer Kinder von den iranischen Sicherheitskräften unter Druck gesetzt worden zu sein. Das Gericht ist insbesondere davon überzeugt, daß die Wohnung der Klägerin vor ihrer Ausreise mehrfach durchsucht wurde, und sie mehrfach kurzfristig festgenommen und verhört wurde; ferner, daß man ihr und ihrem Ehemann bei einem der Verhöre die Augen verband, sie mit dem Tode bedrohte und dabei Schüsse abfeuerte.

Die Angaben der Klägerin erwiesen sich auch angesichts der Erkenntnisse über die gesellschaftliche und politische Situation im Iran als glaubhaft. Zwar kommt es im Iran in aller Regel wegen der politischen Aktivitäten eines Oppositionellen nicht zu Repressionsmaßnahmen gegen dessen Angehörige, es sei denn, die iranischen Behörden haben ein besonderes Interesse daran, durch "Druck" auf die Angehörigen zu bewirken, daß sich jener Oppositionelle den iranischen Behörden stellt bzw. den Asylbewerber im Hinblick auf die Verwandtschaft zum Oppositionellen (mit-)zuverfolgen.

Gleichwohl erscheint es - auch angesichts der im Iran bei staatlichem Handeln herrschenden Willkür - nicht ausgeschlossen, daß die iranischen Behörden von dieser Regel ausnahmsweise abweichen. Derartiges hat die Klägerin hier aber glaubhaft gemacht. So beschränkten sich die wegen der politischen Tätigkeiten ihrer Kinder und wegen deren Flucht gegen die Kläger gerichteten Maßnahmen nicht nur darauf, daß sie vorgeladen und verhört wurden, bzw. immer wieder nach dem Aufenthaltsort ihrer Kinder befragt wurden. Vielmehr hat die Klägerin darüber hinaus geschildert, daß sie über einen längeren Zeitraum bis kurz vor ihrer Ausreise immer wieder kurzfristig festgenommen wurde, daß ihre Wohnung durchsucht wurde und daß sie bei zumindest einem der Verhöre in unzumutbarer Weise gequält wurde. Dabei erweist sich diese Schilderung gerade angesichts dessen, daß die Verhörmethoden im Iran seelische Folterung und unmenschliche Behandlung einschließen, als glaubhaft. Die Klägerin konnte auch einen Grund für diese - über das gewöhnliche Maß hinausgehende - Vorgehensweise der iranischen Behörden nennen. So hatten die Kläger für den Verbleib ihrer Kinder im Iran gebürgt, ihnen gleichwohl die illegale Flucht ermöglicht und sie damit dem Zugriff der iranischen Behörden entzogen. Ferner war den iranischen Behörden zumindest wegen der bei einer der Hausdurchsuchungen vorgefundenen Wandtellern mit Bildern der Schah-Familie bekannt, daß die Kläger selbst promonarchistisch eingestellt waren.

Ziel der gegen die Kläger gerichteten Maßnahmen war es also nicht, durch Druck auf diese die Rückkehr der Kinder zu erzwingen. Offenbar ging es dem iranischen Staat ausschließlich darum, die Kläger dafür zu "bestrafen", daß sie aktiv dabei mitgewirkt hatten, ihre politisch oppositionell eingestellten Kinder dem Zugriff der iranischen Behörden zu entziehen.