OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.01.1998 - 25 A 5687/97.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13380
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Asylverfahren, Beweislast, Beweisnotstand, Nachweiserleichterung, Drittstaatenregelung, Einreise, Luftweg, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 26a Abs. 1
Auszüge:

Der vorliegenden Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Die in der Antragsschrift sinngemäß als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Asylprozeß entwickelte Nachweiserleichterung für Vorgänge im Verfolgerland auch dann anzuwenden ist, wenn der Asylantragsteller behauptet, nicht durch einen sicheren Drittstaat im Sinn des Art. 16 a Abs. 2 S. 1 GG in Verbindung mit § 26 a Abs. 1 AsylVfG, sondern auf dem Luftweg in das Bundesgebiet eingereist zu sein, ist ohne weiteres zu verneinen. Der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es hierzu nicht.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß an den Nachweis der asylbegründenden Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden dürfen und keine unumstößliche Gewißheit verlangt werden darf, sondern daß den eigenen Erklärungen des Asylsuchenden insoweit eine größere Bedeutung beizumessen ist als dies in der sonstigen Prozeßpraxis der Fall ist.

In der Senatsrechtsprechung ist darüber hinaus geklärt, daß zu den asylbegründenden Umständen, für die der Asylbewerber die materielle Beweislast trägt, auch die tatsächlichen Voraussetzungen des Nichtgreifens der Drittstaatenregelung (Einreise auf dem Luftweg) gehören.

Eine andere Sichtweise ist insbesondere nicht deshalb geboten, weil die Drittstaatenregelung als Ausschlußgrund für das Asylgrundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG formuliert ist ("kann sich nicht berufen"). Aus dieser gesetzestechnischen Ausgestaltung folgt nicht, daß die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Verteilung der materiellen Beweislast in Asylverfahren auf die tatsächlichen Voraussetzungen der Drittstaatenregelung nicht anwendbar wären. Insbesondere kann Art. 16 a Abs. 2 S. 1 GG nicht als "Ausnahmevorschrift" vom Asylgrundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG angesehen werden. Denn nach dem Sinn und Zweck der Drittstaatenregelung soll durch sie nur das bereits in Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a.F. vorgegebene einschränkende Merkmal der "Schutzlosigkeit" konkretisiert und damit der Kreis der Asylberechtigten auf diejenigen politisch Verfolgten beschränkt werden, deren Bedarf an Schutz vor politischer Verfolgung bei der Einreise nach Deutschland noch nicht entfallen war. Art. 16 a Abs. 1 und Art. 16 a Abs. 2 S. 1 GG zusammen umschreiben den Kreis der Anspruchsberechtigten.

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich ohne weiteres, daß die vorstehend bezeichnete Beweiserleichterung für Vorgänge im Heimatland auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Nichteingreifens der Drittstaatenregelung nicht anzuwenden ist. Denn die Einreise in das Bundesgebiet ist kein Vorgang, der sich im Verfolgerland abspielt und deshalb mit denjenigen Beweisschwierigkeiten verbunden ist, die für dort entstandene Ausreisegründe typisch sind. Für den Nachweis einer Einreise auf dem Luftweg ist der Asylantragsteller im allgemeinen nicht ausschließlich auf den eigenen Sachvortrag angewiesen, sondern er kann selbst dann, wenn er nicht mehr im Besitz von Reisedokumenten sein sollte, durch grenzhördliche Unterlagen, Passagierlisten und gegebenenfalls Zeugen auch nachträglich noch den Beweis für seine Behauptung führen.