OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 06.04.1998 - 9 Q 260/97 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13432
Leitsatz:
Schlagwörter: Libanon, Baath, Mitglieder, Verfolgung durch Dritte, Syrer, Schutzmacht, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Rechtliches Gehör, Verfahrensmangel, Beweiswürdigung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 138 Nr. 3
Auszüge:

Der Antrag nach § 78 II, IV AsylVfG, mit dem der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das bezeichnete Urteil wegen behaupteter Grundsatzbedeutung der Sache (§ 78 III Nr. 1 AsylVfG) und eines angeblichen Gehörsverstoßes (§ 78 III Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO) erwirken will, bleibt ohne Erfolg.

Der Kläger, ein libanesischer Staatsangehöriger moslemischen Glaubens, der im Dezember 1993 aus dem Libanon kommend auf dem Landweg ins Bundesgebiet eingereist ist, hält im Rahmen seines auf eine Abschiebungsschutzklage beschränkten Rechtsstreits für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob und inwiefern Mitglieder des irakischen Flügels der Baath-Partei im Libanon derzeit weiterhin von den Syrern als politische Gegner gesucht und verfolgt werden." Dabei geht es ihm erkennbar nicht um die Feststellung etwaiger Verfolgungsgefährdung solcher Angehörigen und Sympathisanten dieser seiner Meinung nach im Libanon als Untergrundorganisation fortbestehenden Gruppierung, die in exponierter Weise die dortige Machtstellung der Syrer bekämpft haben und dadurch in das Blickfeld syrischer Sicherheitsstellen geraten sind. Denn nach seinem eigenen Vorbringen und den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts gehörte der Kläger nicht zu diesem Personenkreis. Vor diesem Hintergrund versteht der Senat die aufgeworfene Frage eingeschränkt dahin, daß der Kläger lediglich geklärt wissen will, ob schon die einfache Zugehörigkeit zu den irakischen Baathisten ohne Rücksicht auf die Exponierung des Betroffenen als die Interessen Syriens beeinträchtigender Opponent abschiebungsschutzrechlich relevante Maßnahmen des im Libanon als Hintergrundmacht präsenten syrischen Staates auslöst. Insoweit besteht indes kein die Zulassung der Berufung nach § 78 III Nr. 1 AsylVfG rechtfertigender Klärungsbedarf.

Unter Hinweis auf die Machtstellung Syriens im Libanon hat der Senat schon mehrfach festgestellt, daß Bestrebungen libanesischer Staatsangehöriger zur Beseitigung oder Beschränkung dieser Position Verfolgungsmaßnahmen durch die Syrer und/oder von ihnen dazu veranlaßte libanesische Stellen auslösen können. Wie indes die den Erkenntnisquellen zu entnehmenden Referenzfälle zeigen, sind Opfer derartiger Repressionen grundsätzlich nur diejenigen, denen entweder Kollaboration mit Israel in welcher Form auch immer zur Last gelegt wird oder die öffentlicheitswirksame Aktivität gegen die Präsenz Syriens im Libanon entfaltet haben.

Anhaltspunkte dafür hingegen, daß auch schon die bloße Zugehörigkeit zu einer antisyrischen Gruppierung die Hintergrundmacht auf den Plan rufen und zu Sanktionen veranlassen würde, lassen sich den vorliegenden zahlreichen Auskünften, Stellungnahmen, Gutachten und Lageberichten zur Situation im Libanon nicht entnehmen.

Das ist offenbar auch die Auffassung von amnesty international, wenn diese Organisation davon spricht, daß Delikte gegen die syrischen Sicherheitskräfte und öffentlichen Auftraten gegen die Präsenz Syriens im Libanon Verfolgungsmaßnahmen ausgelöst hätten und weiterhin auslösten.

Daß für Anhänger und Sympathisanten des irakischen Flügels der arabisch-sozialistischen Baath-Partei im Libanon ausnahmsweise etwas anderes gelten würde, ist nicht ersichtlich. Sollte diese Vereinigung im Geflecht des wechselnden Mit- und Gegeneinanders der libanesischen Bürgerkriegsparteien überhaupt jemals eine nennenswerte Rolle gespielt haben, ist sie heute jedenfalls mangels Fortbestandes einer hinreichenden personellen und organisatorischen Struktur als politische Kraft nicht mehr oder doch nur noch rudimentär vorhanden.

Ist aber die Bedeutung des irakischen Flügels der libanesischen Baathisten als Gegner des Regimes in Damaskus jedenfalls inzwischen entfallen oder doch zumindest ganz erheblich herabgesetzt und weiterhin davon auszugehen, daß die bloße Zugehörigkeit zu einer im Libanon bestehenden Gruppierung mit antisyrischer Zielsetzung wie dem nach wie vor als politische Kraft existierenden und gegenwärtig noch wachsenden Kreis der Anhänger Aouns keine Repression syrischer Sicherheitskräfte auslöst, so vermag der Senat schlechterdings nicht zu erkennen, daß und aus welchem Grund die Syrer daran interessiert sein sollen, allein die Verbundenheit libanesischer Staatsangehöriger mit dem aus der Sicht der Machthaber in Damaskus allenfalls noch eine quantité négligeable darstellenden und "harmlosen" irakischen Flügel der Baath-Partei zum Anlaß von Verfolgungsmaßnahmen zu nehmen. Er hält ein solches Sanktionsinteresse für ausgeschlossen und sieht sich darin durch die Tatsache bestätigt, daß aus den jüngeren einschlägen Quellen nichts hervorgeht, was auf ein planmäßiges und methodisches Vorgehen gegen die möglicherweise noch hier und da als lose Organisation anzutreffenden irakischen Baathisten schließen ließe.

Berichtet wird über die Freilassung von 70 Personen im Jahr 1991, denen vorgeworfen worden sei, zu dieser Gruppe zu gehören.

Zwar kam es dann 1995 zu erneuten Verhaftungen von Baathisten, nämlich im Frühjahr von 12 Mitgliedern und im Herbst eines "Anführers" namens Rafiq Abi Yunes. Abgesehen davon jedoch, daß mit Ausnahme zweier Personen - darunter der Anführer - 1997 alle wieder freigelassen wurden, besagt die Festnahme des "Oberhaupts" nichts über eine Verfolgungsgefährdung einfacher Gruppenzugehöriger und waren die Verhaftungen im übrigen offenbar anlaßbezogen.