VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27.03.1998 - 10a L 916/98.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13438
Leitsatz:
Schlagwörter: Angola, Flüchtlingsfrauen, Politische Entwicklung, Friedensabkommen, Offensichtlich unbegründet, Abschiebungshindernis, Situation bei Rückkehr, Versorgungslage, Geschlechtsspezifische Verfolgung, Vergewaltigung, Prostitution, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AuslG § 53 Abs. 6
Auszüge:

Eine Abschiebung der Antragstellerin nach Angola wäre nach der im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit mit § 53 Abs. 6 AuslG nicht vereinbar.

Die militärische und politische Entwicklung in Angola, wird seit dem Friedensschluß in Lusaka noch immer nicht als stabil bezeichnet.

Trotz der zwischenzeitlich erfolgten Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung" unter Beteiligung der UNITA, ist es in den Nordprovinzen des Landes wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen.

Das OVG für das Land NRW geht aufgrund des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 15.1.1997 von einer leichten Verbesserung der Versorgungslage gegenüber der Situation im Jahre 1995 aus und folgert daraus, daß einer erwachsenen gesunden Person im Falle der Rückkehr nach Angola keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben drohe und eine Abschiebung deshalb keine Verletzung der aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Verfassungsgebote darstellen würde. Eine andere Auffassung wird dort allerdings hinsichtlich der Überlebenschancen von Säuglingen und Kleinkindern vertreten.

Das erkennende Gericht ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, daß gegenüber der Situation während des Bürgerkrieges eine erhebliche Verbesserung der Situation derzeit nicht belegt und auch nicht wahrscheinlich sei, sondern sich aus den dem Gericht vorliegenden Presseberichten 1996 eher eine Verschlechterung der Versorgungssituation ergeben hat.

Welche der beiden oben dargestellten Einschätzungen für 1996 zutreffend ist, kann vorliegend offengelassen werden. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Versorgungssituation in den Städten sich 1997 aufgrund der Subventionierung der Brotpreise und einer geringen wirtschaftlichen Stabilisierung soweit verbessert hat, daß mit einer Nahrungsmittelkrise auch aufgrund der internationalen Hilfe nicht mehr zu rechnen sei, stellen sich die Lebensbedingungen auch aufgrund der krassen Unterschiede zwischen einer kleinen reichen Oberschicht und der Masse einer völlig verarmten Bevölkerung in der Regel immer noch sehr schwierig dar.

Als Folge dieser schwierigen Lebenssituation werden immer mehr Mädchen und Frauen in die Prostitution getrieben oder regelmäßig von Polizisten oder Soldaten vergewaltigt, gequält und sogar getötet. Bei Razzien der Polizei und paramilitärischer Einheiten kommt es auch nach Angaben des Auswärtigen Amtes insbesondere Frauen gegenüber zu Übergriffen und Mißhandlungen.

Da eine Abschiebung nur nach Luanda möglich, eine Weiterreise von dort in andere Gebiete aber nach wie vor zumindest problematisch ist, ist auch unter Anlegung des für diese Prognose anzulegenden - gegenüber dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten - Maßstabes davon auszugehen, daß der Antragstellerin bei ihrer Rückkehr nach Angola aufgrund ihres Geschlechts konkret eine Gefahr für ihre Grundrechte aus Art. 1 und 2 GG droht.