VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 25.03.1998 - AN 12 K 97.33558 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13488
Leitsatz:
Schlagwörter: Ruanda, Tutsi, Libyen (A), Spitzel, FPR, Hutu, Abschiebungshindernis, Situation bei Rückkehr, Sicherheitslage, Massaker, Denunziation, Untätigkeitsklage
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Die Klage auf Asylanerkennung ist unbegründet.

Der Kläger hat angegeben, daß er zur Bevölkerungsgruppe der Tutsi gehört. Er bestimmt sich offenbar insoweit von seinem Vater her, der Tutsi ist. Der Kläger hat glaubwürdig angegeben, daß seine Mutter Hutu ist. Hieraus allein kann derzeit, auch wenn dies ein gewisses Gefährdungspotential für den Kläger beinhaltet, nicht geschlossen werden, daß aus diesem Grund eine erhebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bestünde. Angehörige der Hutu-Bevölkerung sind wegen des Völkermords in großer Zahl inhaftiert und leben unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Es kann offenbleiben, ob in den Maßnahmen gegenüber der Hutu-Bevölkerung, wie sie jetzt erfolgen, in Einzelfällen politische Verfolgung liegt. Beim Kläger besteht jedoch insoweit kein Verfolgungsrisiko von nennenswerter Art, weil er kein Hutu ist, zumindest nicht Hutu von beiden Elternteilen her und weil er sich zur Zeit der Massaker nicht in Ruanda aufgehalten hat. Das Gericht meint, daß es dem Kläger, falls er beschuldigt würde, möglich sein müßte, nachzuweisen, daß er sich zunächst in Libyen und dann in der Zeit als der Völkermord passierte, in Deutschland aufgehalten hat.

Erhebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß der Kläger gegenüber Mitkommilitonen oder anderen Personen, die die Rebellenbewegung der FPR unterstützt haben, eine Mitarbeit verweigert hat. Natürlich könnte theoretisch das dem Kläger bei Rückkehr übel genommen werden und Nachteile für ihn haben. Andererseits ist es sicher richtig, wenn das Auswärtige Amt schreibt, daß bei der FPR natürlich nicht jeder Tutsi im wehrfähigen Alter mitgemacht haben kann und daß man mit Sicherheit nicht alle, die sich aus den Auseinandersetzungen herausgehalten haben, deswegen zur Rechenschaft ziehen wird.

Die Beklagte ist zu verpflichten festzustellen, daß bei dem Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG vorliegt. Die Verhältnisse in Ruanda haben sich trotz der Machtübernahme durch die Tutsi und die FPR bei weitem nicht beruhigt. Es ist vielmehr ein erneutes Ansteigen von Zwischenfällen zu verzeichnen, wobei Anschläge auf Überlebende des Genozids in Teilen des Landes nahezu flächendeckend vorkommen. Die Armee wird nicht Herr der Lage und gerät wegen angeblicher Tatenlosigkeit unter Druck. Organisierte Morde an Tutsi durch Hutu-Extremisten haben wieder zugenommen. In einem Staat wie Ruanda ist eine Person, die nicht eindeutig einer der beiden miteinander in Todfeindschaft stehenden Bevölkerungsgruppen zuzuordnen ist, in ganz besonderer Weise gefährdet, da eine solche Person in Verdacht gerät, der anderen Bevölkerungsgruppe anzugehören und sie deshalb verdächtigt wird, diese zu unterstüten und für deren Verhalten verantwortlich gemacht zu werden. Das Auswärtige Amt hat in der eingeholten Auskunft vom 9. Dezember 1997 auf die Gefahr von Denunziationen hingewiesen. Im Fall von derartigen Denunziationen ist der Kläger auch unter den derzeitigen Machtverhältnissen bei der jetzigen von Tutsi beherrschten Regierung gefährdet, inhaftiert und mißhandelt zu werden. Dies gilt umso mehr, als er nach seinem ebenfalls glaubwürdigen Vortrag die Zusammenarbeit mit der FPR abgelehnt hat. Dies kann ihn in den Verdacht bringen, zumal ein Elternteil von ihm Hutu ist, in Wahrheit ein heimlicher Unterstützer der Hutu-Sache zu sein. Etwas derartiges ist derzeit in Ruanda lebensgefährlich.

Im Anschluß an die vom Bundesamt vorzunehmende Feststellung gem. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG wird der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet ausländerrechtlich zu regeln sein. Die bestehenden Abschiebungshindernisse aufgrund der für ihn bei einer Rückkehr nach Ruanda drohenden Gefahr sind nicht nur vorübergehender Natur, sondern bei den in Ruanda derzeit herrschenden Verhältnissen mit Sicherheit von längerer Dauer, so daß der weitere Aufenthalt des Klägers nicht lediglich durch Duldungserteilung zu regeln sein wird.