VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Urteil vom 11.05.1998 - 2 A 736/95 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13492
Leitsatz:
Schlagwörter: Sri Lanka, Tamilen, Drittstaatenregelung, Spanien (A), Gruppenverfolgung, Abschiebungsschutz, Situation bei Rückkehr, Haft, Misshandlungen, LTTE, Verdacht der Mitgliedschaft, Alter
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Der Kläger ist nicht als Asylberechtigter anzuerkennen. Dem steht bereits entgegen, daß er im Juli 1995 von Spanien aus auf dem Luftweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.

Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen jedoch bei dem Kläger vor. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, der die Kammer folgt, war der Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise zwar einer Gruppenverfolgung aufgrund seiner tamilischen Volkszugehörigkeit nicht ausgesetzt. Denn er ist erst im Juni 1995, d.h. nach dem insoweit maßgeblichen Wechsel in der Militärführung Sri Lankas, aus seinem Heimatland ausgereist.

Der Kläger hat sein Heimatland aber unter dem Eindruck einer Individualverfolgung verlassen.

Er hat in seinem Heimatland eine politische Verfolgung erlitten, als er in Colombo von der Polizei aufgegriffen, etwa vier bis fünf Tage lang inhaftiert und während der Haft schwer mißhandelt worden ist.

Die Maßnahmen der srilankischen Sicherheitskräfte sind von der Art und Intensität her auch relevant für die Gewährung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG. Sie sind nicht lediglich als irrelavante Sicherheitsüberprüfung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung bzw. Bekämpfung der LTTE anzusehen, auch wenn nach dem Vortrag des Klägers davon auszugehen ist, daß er wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zur LTTE oder Unterstützung der LTTE verhaftet worden ist. Die Umstände seiner Haft, d.h. die massiven Übergriffe durch die Polizeiangehörigen, sind vielmehr hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger Maßnahmen in Anknüpfung an seine Volkszugehörigkeit erlitten hat. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, daß die Drangsalierung während der Haft das Maß dessen überschritten hat, was bei der Bekämpfung des Terrorismus noch hinzunehmen und mit dem Hinweis auf eine bloße Sicherheitsüberprüfung zu rechtfertigen wäre. Von der Art und Intensität her sind die Maßnahmen der Polizei vielmehr als Übergriffe zu bezeichnen, die wegen eines Asylmerkmals des Klägers geschehen sind, nämlich wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit.

Ist ein Schutzsuchender - wie hier - vorverfolgt ausgereist, so stellt sich die Frage, ob er unter Anwendung des sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bei einer Rückkehr in sein Heimatland vor abermaliger Verfolgung sicher wäre. Das ist vorliegend nicht der Fall. Es ist nicht mit der erforderlichen Gewißheit auszuschließen, daß der Kläger - ggfs. bereits am Flughafen - erneut von den srilankischen Sicherheitskräften verhaftet und während seiner Haft mißhandelt werden könnte. Die Annahme rechtfertigt sich bereits daraus, daß der 1968 geborene Kläger zu der Altersgruppe der zwischen 14- und 35jährigen jungen Tamilen zählt, die, weil sie dem LTTE-Rekrutierungsalter angehören, sich in besonderem Maße des Verdachts der Zugehörigkeit zur LTTE seitens der Sicherheitskräfte erwehren müssen. Auch in diesem Zusammenhang folgt der Einzelrichter den Begründungen der Grundsatzentscheidungen des Oberverwaltungsgerichte Lüneburg und macht sie zum Gegenstand des vorliegenden Urteils. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger in einem bzw. mit einem Familienverband zurückkehren würde, sind im übrigen nicht ersichtlich.