Der Kläger hat aus Sicht des Gerichts glaubhaft dargelegt, daß er als Mitglied der Arbeitervereinigung in dem Chemiewerk, in dem er gearbeitet hat, Mitorganisator einer Streikaktion gewesen ist, mit der die Arbeiterschaft sich gegen den aufkommenden serbischen Nationalismus sowie die allgemeine Mobilmachung und die Unterdrückung nationaler Minderheiten gewandt hat. Aufgrund dieses Engagements hat der Kläger nicht nur seinen Arbeitsplatz durch Kündigung verloren, sondern wurde zudem zunächst zu einem 12-stündigen Verhör abgeholt und später - am 2.11.1991 - wegen des Verdachts, ungarischer Separatist zu sein, für 12 Tage inhaftiert. Während dieser Haft wurde er mißhandelt und schließlich unter der Auflage, sich täglich auf der Polizeistation zu melden, freigelassen.
Aufgrund der geschilderten Geschehnisse ist der Kläger als vorverfolgt anzusehen. Dem Vorbringen des Klägers ist deutlich zu entnehmen, daß die zum Teil brutalen Mißhandlungen auf der Polizeistation an seine Volkszugehörigkeit bzw. an das deswegen bei ihm vermutete separatistische Gedankengut anknüpfnten. So hat er glaubhaft berichtet, daß man seinen ganzen familiären Hintergrund "aufgerollt" hat, um hierhin Belege für eine ungarisch-separatistische Haltung zu finden. Nicht zuletzt zeigt die Art und Weise des polizeilichen Vorgehens -etwa wurde der Kläger mit seinen sich mit ungarischer Geschichte befassenden Büchern geschlagen -, daß es - wovon die Beklagte offenbar ausgegangen ist - nicht lediglich deswegen erfolgte, weil der Kläger den Streik organisiert hatte. Die Maßnahmen waren auch von asylerheblicher Intensität. Schon die Dauer der Inhaftierung spricht hierfür. Zudem ist der Kläger grob psychisch und physisch mißhandelt worden. So hat man ihm mit Übergriffen auf seine Familie gedroht und ihn eingeschüchtert. Man hat ihn mit verschiedenen Werkzeugen geschlagen und ihn mit heißen Kaffee verbrüht.
Eine inländische Fluchtalternative, wie die Beklagte annimmt, stand dem Kläger nicht zur Verfügung. Die Annahme eines hinreichend vor politischer Verfolgung sicheren Ortes scheitert schon daran, daß der Kläger auch nach seiner Freilassung unter dem Verdacht des ungarischen Separatismus gestanden hat. Ihm wurde nämlich eine tägliche Meldepflicht auferlegt, die - wie die Angaben des Klägers zu den Tagen vor seiner Inhaftierung zeigt - zwar zunächst seiner Einschüchterung und Demütigung dienen sollte, die es zum anderen aber auch ermöglichen sollte, den Kläger unter Kontrolle zu halten. Mit einem Weggang aus dem Heimatort wäre aber zwangsläufig eine Verletzung der Meldeauflage verbunden gewesen. Es ist davon auszugehen, daß dies den offenbar schon vorhandenen Verdacht gegen den Kläger noch verstärkt hätte. Demzufolge kann nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, daß weitere Ermittlungen gegen den Kläger eingeleitet worden wären oder aber zumindest die örtlichen Sicherheitskräfte Sorge dafür getragen hätten, daß der Kläger auch andernorts unter polizeilicher Kontrolle gestanden hätte und er in diesem Zusammenhand weiteren Repressionsmaßnahmen unterworfen worden wäre. Zudem ist nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen festzustellen, daß die Aufnahmekapazität der größeren Städte Serbiens durch eine große Anzahl von Flüchtlingen nahezu erschöpft ist und die ansässige Bevölkerung aus Furcht vor Überfremdung oder aus Furcht um Arbeitsplätze Flüchtlinge und nationale Minderheiten immer stärker ausgrenzt, so daß ein wirtschaftliches Fußfassen in einer anderen Region Serbiens für Zuwanderer nahezu unmöglich erscheint.
Dem nach alldem vorverfolgten Kläger kommt der reduzierte Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugute.
Der Eintritt asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen gegen ihn im Falle seiner Rückkehr kann zum heutigen Zeitpunkt nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Lage in Rest-Jugoslawien hat sich nicht grundlegend geändert. Insbesondere hat sich das Klima der serbischen Repression gegen nationale Minderheiten seit der Ausreise des Klägers nicht entscheidend gebessert.