VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Urteil vom 18.03.1998 - W 3 K 97.30856 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13514
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, Drittstaatenregelung, Reiseweg, Abschiebungsschutz, Situation bei Rückkehr, Regimegegner, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund
Normen: AsylVfG § 26a
Auszüge:

Das erkennende Gericht ist der Überzeugung, daß 1. derzeit in Togo alle Personen, die vom herrschenden System des Generals Eyadéma als Gegner eingestuft werden, akut von intensiver Überprüfung, Inhaftierung von unbestimmter Dauer, Folter und extralegaler Hinrichtung bedroht sind sowie daß die bloße Asylantragstellung in Deutschland, unabhängig von einer Mitgliedschaft in einer oppositionellen Gruppierung, den Sicherheitskräften des Eyadéma-Regimes hinreichend Anlaß bietet, den Betroffenen für einen Regimegegner zu halten,

2. der togoische Staat von der Asylantragstellung Kenntnis hat oder doch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erlangen wird,

3. die rückkehrenden Asylbewerbern drohenden Maßnahmen politische Verfolgung darstellen, so daß ihnen derzeit eine Rückkehr in den Heimatstaat nicht zuzumuten ist.

Mit dieser Rechtsauffassung weicht das erkennende Gericht zwar von der Rechtsprechung des OVG Münster, des OVG Lüneburg, des Bayer. VGH, des OVG Schleswig-Holstein, des OVG Rheinland-Pfalz, des Thüringer OVG und des OVG Hamburg ab. Es befindet sich jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG des Landes Sachsen-Anhalt, des OVG Mecklenburg-Vorpommern und des OVG Saarlouis und zahlreicher Verwaltungsgerichte.

Das Auswärtige Amt hebt zwar in seinem Lagebericht vom 10. August 1995 (Stand: Juli 1995), an dem es trotz der detaillierten Anfrage des Bayerischen VGH vom 7. November 1995 im Verfahren Nr. 25 BA 95.35632 mit Schreiben vom 22. Dezember 1995 lapidar festgehalten hat, hervor, daß es in Togo keine gesetzliche Grundlage für eine gesondere, benachteiligende Behandlung von ausgewiesenen oder abgeschobenen Staatsbürgern bei ihrer Rückkehr gebe, was auch für rückkehrende Asylbewerber gelte. Ihm sei bisher kein nachweislicher Fall bekannt geworden, in dem ein abgeschobener Asylbewerber bei seiner Rückkehr besonderen Schwierigkeiten bei der Einreise ausgesetzt gewesen wäre. Diese Festellungen werden im Lagebericht vom 4. März 1996 (Stand: 10.2.1996) wörtlich wiederholt. Gleiches gilt für die Lagebrichte vom 1. Juli 1996 (Stand: 1.6.96), vom 24. Oktober 1996 (Stand: 30.9.96) und vom 14. Januar 1997 (Stand: 31.12.96).

In einer Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 24. April 1995 an das VG Bremen gibt das Auswärtige Amt selbst zu, daß seine Festellung, togoische Asylbewerber würden bei Rückkehr aufgrund ihrer Asylantragstellung nicht verfolgt, auf einem (für uns fragwürdigen) Negativbeweis beruht: "Das Auswärtige Amt kennt die Behandlung von begleiteten Schüblingen auf dem Flughafen Lomé nur aus wenigen Fällen eigener Anschauung. In diesen Fällen fand durchweg keine besondere Behandlung statt." (AA an VG Bremen, 24.4.95). Nur in Anbetracht seiner generellen (umstrittenen) Auffassung, die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Togo habe sich im letzten Jahr (1994) signifikant gebessert, kann das Auswärtige am zum Schluß gelangen, "daß der Negativbeweis der Nichtverfolgung der Rückkehrer ausreichend begründet ist. Wohlgemerkt ist hier nicht die Rede von einzelnen Fällen, in denen Vertreter aus besonders verfolgungsgefährdeten Gruppen (desertierte Soldaten, profilierte Oppositionelle) nach Rückkehr aus dem Exil in Nachbarländern mit teilweise erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert wurden." (ibid.)

Die generelle Einschätzung des Auswärtigen Amtes, die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Togo habe sich signifikant verbessert, wird aber weder von uns noch von international renommierten Menschenrechtsorganisationen geteilt.

Bei der kritischen Würdigung der vom Auswärtigen Amt ins Feld geführten "Negativerhebung" darf schließlich auch nicht außer Acht gelassen werden, daß in den vergangenen Jahren nur eine geringe Zahl togoischer Staatsangehöriger in ihren Heimatstaat abgeschoben wurde.

Es kommt hinzu, daß das weitere Schicksal begleiteter Togoer nach der grenzpolizeilichen Kontrolle und dem Verlassen des Flughafengebäudes völlig unbekannt ist. Dies beruht darauf, daß es weder amnesty international noch togoischen Menschenrechtsorganisationen durch die togoischen Behörden erlaubt und ermöglicht worden ist, durch Mitarbeiter am Flughafen von Lomé die Rückkehr abgeschobener Flüchtlinge zu beobachten und auf diesem Weg festzustellen, wie ihr weiteres Schicksal verläuft.