VG Mainz

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Zitieren als:
VG Mainz, Beschluss vom 30.06.1998 - 6 L 1259/98.MZ - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13542
Leitsatz:
Schlagwörter: Jugoslawien, Kosovo, Albaner, Offensichtlich unbegründet, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Abänderungsbeschluss, Nachfluchtgründe, Gruppenverfolgung
Normen: VwGO § 80 Abs. 7; AsylVfG § 30 Abs. 1; AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Der Antrag der Antragsteller auf Abänderung des Beschlusses des Gerichts vom 22. April 1998 (6 L 791/98.MZ) ist gemäß § 80 Abs. 7 VwGO zulässig, da sich aufgrund der jüngsten Ereignisse im Kosovo die Sach- und Rechtslage geändert hat. Diese Änderung der Sach- und Rechtslage führt in der Sache dazu, daß der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nunmehr Erfolg hat. Es kann nicht mehr davon ausgegangen werden, daß der Asylantrag der Antragsteller offensichtlich unbegründet ist.

Nicht gerechtfertigt ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung das Offensichtlichkeitsurteil, soweit die Antragsgegnerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG verneint hat.

Zwar gibt es eine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung, wonach die Angehörigen der Volksgruppe der Albaner im Kosovo in ihrer Heimat allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keiner politischen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Dies hat das OVG Rheinland-Pfalz zuletzt mit Urteil vom 25. März 1998 (12 A 10367/95. OVG) auch unter Berücksichtigung der Vorfälle Ende Februar/Anfang März 1998 in der Region Drenica entschieden. Das OVG hat in dem zitierten Urteil ausgeführt, daß die Annahme einer Gruppenverfolgung auch angesichts der Vorfälle Ende Februar/Anfang März 1998 nicht gerechtfertigt sei, da diese sich in einem räumlich klar abgegrenzten Gebiet in der Region Drenica westlich von Pristina abgespielt hätten. Die übrigen Landesteile des Kosovo mit Ausnahme der Vorfälle in Pec am 18. März 1998 und im Gebiet um Decani am 24. März 1998 seien von gewaltsamen Zwischenfällen dagegen bisher nicht erfaßt worden.

Die Sachlage hat sich seitdem jedoch geändert. Wie das Auswärtige Amt in seinem ergänzenden Lagebericht vom 8. Juni 1998 mitteilt, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen der jugoslawischen Polizei und bewaffneten Kosovo-Albanern über die bisher räumlich relativ klar abgegrenzten Gebiete, sogenannte Drenica-Region westlich von Pristina und Grenzregion zu Albanien (um Decani) hinaus ausgeweitet. Inzwischen sei das gesamte Gebiet an der albanischen Grenze sowie die Straße zwischen Pristina und Pec betroffen. Nach UNHCR-Angaben seien etwa 6.500 Kosovo-Albaner über die Grenze nach Albanien geflüchtet, weitere 45.000 sollen in sicheren Gebieten des Kosovo Zuflucht gefunden haben.

Im Hinblick auf diese Entwicklung und insbesondere auch angesichts der Einschätzung des Auswärtigen Amtes im ergänzenden Lagebericht vom 8. Juni 1998, wonach Prognosen für die weitere Entwicklung der Spannungen im Kosovo nicht möglich seien, läßt sich ein Offensichtlichkeitsurteil unter dem Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung nicht mehr rechtfertigen.