OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 27.05.1998 - 12 L 169/97 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13562
Leitsatz:
Schlagwörter: Sri Lanka, Tamilen, Gruppenverfolgung, Mittelbare Verfolgung, Verfolgung durch Dritte, Bürgerkrieg, Verfolgungsdichte, Verfolgungsprogramm, Amtswalterexzesse, Sippenhaft, Ehegatte, Mitglieder, Situation bei Rückkehr, Haft, LTTE, Verdacht der Mitgliedschaft, Alter, Terrorismusbekämpfung, Berufung
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Die Klägerin muß nicht besorgen, bei einer Rückkehr nach Sri Lanka aus individuellen Gründen politisch verfolgt zu werden. Insoweit ist nur zu erwägen, ob sie damit rechnen muß, Maßnahmen der srilankischen Sicherheitskräfte ausgesetzt zu werden, weil ihr Ehemann vor seiner Ausreise in Sri Lanka die LTTE unterstützt habe. Diese Frage ist indessen zu verneinen.

Das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 6.4.1998) berichtet, es könne von der Gefahr einer länger andauernden Inhaftierung wegen eines bloßen Verwandtschaftsverhältnisses zu einem LTTE-Unterstützer nicht ausgegangen werden, weil die srilankischen Sicherheitskräfte nicht "Sippenhaft" praktizierten. Es sei jedoch nicht auszuschließen, daß ein Verwandter eines LTTE-Mitgliedes oder -Unterstützers mit einer Sicherheitsüberprüfung rechnen müsse, die auch zu seiner zeitweiligen Verhaftung führen könne. Eine solche Maßnahme wäre aber hinsichtlich ihrer Gerichtetheit (es geht um Terrorismusbekämpfung) und ihrer Intensität asylrechtlich nicht relevant.

Die Klägerin muß bei einer Rückkehr nach Sri Lanka nicht besorgen, einer gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt zu sein. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine landesweite oder regionale staatliche oder mittelbar staatliche Verfolgung der tamilischen Bevölkerungsgruppe oder für eine nach weiteren asylerheblichen Merkmalen konkretisierbare Untergruppe vor. Diese Auffassung teilen die Oberverwaltungsgerichte, die sich jüngst zur Lage in Sri Lanka geäußert haben.

Die schwierige Lage auf der Jaffna-Halbinsel hat sich für tamilische Volkszugehörige verbessert. Von großer Problematik sind aber die Fälle des "Verschwindens von Personen". Im Jahre 1996 soll es sich um 676 Personen handeln. Allerdings lasse sich nach amnesty international nicht nachweisen, daß die Befehle zu diesen Handlungen von der Staatsführung kamen, diese habe aber zu langsam reagiert und erst zu spät Wiederaufklärung durch die "BoI" begonnen. Gegenwärtig ist es der Staatsführung gelungen, dieses menschenrechtswidrige Verhalten der Sicherheitskräfte weitgehend zu unterbinden. Die Zahl der auf der "Jaffna-Halbinsel" Verschwundenen hat sich deutlich vermindert, in der ersten Hälfte des Jahres 1997 sind 41 Fälle berichtet worden. Seit Anfang Juli 1997 ist kein Fall mehr gemeldet worden. Insgesamt lassen sich diese Ereignisse dahin bewerten, daß es sich auch um Exzeßtaten von Angehörigen der srilankischen Sicherheitskräften gehandelt hat, die nicht durchweg dem srilankischen Staat zuzurechnen sind, dieser versucht - teilweise mit Erfolg - solche Taten zu unterbinden.

Ferner rechtfertigt die Zahl der "Verschwundenen" nicht die Feststellung, die Verfolgungsschläge seien in bezug auf die betroffene Bevölkerungsgruppe von einer solchen Dichte, daß von einer gruppengerichteten Verfolgung gesprochen werden könnte.

Auch im Osten Sri Lankas ist die tamilische Bevölkerungsgruppe - einschließlich der Gruppe der etwa 14 bis 35-jährigen - nicht einer gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt.

Die Situation in den übrigen Teilen Sri Lankas, insbesondere im Süden des Landes - einschließlich des Großraums Colombos - führt nicht auf eine gruppengerichtete Verfolgung der dort lebenden tamilischen Bevölkerungsgruppe, einschließlich von nach asylrechtlich relevanten Merkmalen zu bildenden Untergruppen.

Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung überprüfen die srilankischen Sicherheitskräfte im Großraum Colombo regelmäßig die Identität von Angehörigen der tamilischen Bevölkerungsgruppe, das gilt insbesondere auch für die Untergruppe der jüngeren (14 - 35 Jahre alten) Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe, die aus dem Norden und Osten Sri Lankas stammen. Für diese besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, den Identitätsfeststellungen ausgesetzt zu sein und - kann ein Angehöriger dieser Bevölkerungsgruppe seine Identität nicht nachweisen - bis zur Klärung der Identität und Ausräumung eines konkreten Verdachts, die LTTE zu unterstützen oder ihr anzugehören, verhaftet zu werden. Diesen Maßnahmen fehlt aber unter dem Gesichtspunkt der Eingriffsintensität die erforderliche asylrechtliche Relevanz.

Asylrechtlich beachtlicher Verfolgung sind auch nicht die aus dem Ausland zurückkehrenden tamilischen Volkszugehörigen ausgesetzt (einschließlich derjenigen, die im Ausland erfolglos um Asyl nachgesucht haben).