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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 05.06.1998 - 9 B 412.98 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13592
Leitsatz:
Schlagwörter: Tunesien, Revision, Nichtzulassungsbeschwerde, Islamisten, Strafverfolgung, Freiheitsstrafe, Libyen (A), Sudan (A), Österreich (A), Schweiz (A), Frankreich (A), Verfolgungssicherheit, Urteilsbegründung, Begründungsmangel, Verfahrensmangel, Rechtliches Gehör, Sachaufklärungspflicht, Darlegungserfordernis
Normen: VwGO § 136 Nr. 6; VwGO § 86 Abs. 1; AsylVfG § 27
Auszüge:

Die auf Verfahrensmängel ( § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestütze Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Rüge, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, greift nicht durch. Es trifft allerdings zu, daß das Berufungsgericht keinerlei Ausführungen zu der an sich entscheidungserheblichen Frage enthält, ob der Kläger trotz festgestellter politischer Verfolgung in seinem Heimatstaat deshalb nicht als Asylbewerber anerkannt werden konnte, weil er vor seiner Einreise in das Bundesgebiet im Sinne von § 27 Abs. 1 AsylVfG ( in der damals noch anzuwendene Fassung des Geseztes vom 26. Juni 1992, BGBl I S. 1126 ) "bereits in einem anderen Staat vor politischer Verfolgung sicher war". Daraus ergibt sich indessen noch nicht, daß der behauptete Verfahrensmangel vorliegt.

Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund - und damit zugleich ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - vor, wenn "die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist".

Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, daß die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können. Das ist nach der Rechtsprechung allerdings nicht nur dann der Fall, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so daß sie in Wirklichkeit nicht erkennen läßt, welcher Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind.

Nach allgemeiner Ansicht verletzt ein Urteil dagegen § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind.

Die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf "einzelne Ansprüche" oder "einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel" überhaupt nicht eingeht. Auch das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, aber wiederum nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen läßt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

Die Beschwerde wendet sich nämlich im Kern nur dagegen, daß die Begründung des Berufungsgerichts zum Anspruch des Klägers auf Asylanerkennung nach Art. 16 a Abs. 1 GG inhaltlich unvollständig ist, weil sie nicht mit dem Asylausschlußgrund der Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat nach § 27 AsylVfG auseinandersetzt. Sie rügt damit letztlich die mögliche sachliche Fehlerhaftigkeit der ergangenen Entscheidung, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift nicht oder jedenfalls nicht erkennbar in die Prüfung einbezogen worden sei. Damit ließe sich der behauptete Verfahrensmangel - oder ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs allgemein - allenfalls dann begründen, wenn der Beschwerdeführer im gerichtlichen Verfahren hierzu erhebliche Angriffs -oder Verteidigungsmittel ( vgl. § 136 ZPO ) geltend gemacht hätte, welche das Berufungsgericht zu einer Auseinandersetzung hiermit gezwungen hätten.

Auch mit der Aufklärungsrüge wendet sich die Beschwerde in Wahrheit ebenfalls nur gegen die inhaltliche Mangelhaftigkeit und mögliche Unrichtigkeit des Berufungsurteils; sie muß bereits daran scheitern, daß im Beschwerdeverfahren nicht geklärt werden kann aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen das Berufungsgericht ein Eingehen auf § 27 AsylVfG und dementsprechend auch eine weitere Aufklärung des Sachverhalts insoweit unterlassen hat. Haben die Beteiligten - wie hier - in der Berufungsverhandlung unbedingte Beweisanträge nicht gestellt, kann eine unterlassene weitere Aufklärung des Sachverhalts als Verfahrensfehler nur geltend gemacht werden, wenn sich dem Berufungsgericht eine solche - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - hätte aufdrängen müssen. Davon kann hier indessen nach der - wie ausgeführt als unvollständig hinzunehmenden - Begründung des Berufungsurteils nicht ausgegangen werden.