VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Urteil vom 18.03.1998 - 3 E 30202/96.A(2) - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13616
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Christen, Konversion, Apostasie, Missionierung, Diskriminierung, Heiratserlaubnis, Latente Gefährdungslage, Religiös motivierte Verfolgung, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Exilpolitische Betätigung, Christliche Organisationen, Bundesbeauftragter, Klage
Normen: GG Art 16a
Auszüge:

Der Anerkennungsbescheid der Beklagten vom 16.1.1996 ist rechtmäßig.

Der Beigeladene kann sich infolge seines Asylantrags in Verbindung mit seiner Zuwendung zum christlichen Glauben und seiner Tätigkeit für christliche Gemeinden und Organisationen in der Bundesrepublik auf asylrelevante subjektive Nachfluchtgründe berufen, die im Fall seiner Rückkehr mit der - in diesem Fall zu fordernden - überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu asylrelevanten politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen führen würden.

Seine politische und religiöse Betätigung in der Bundesrepublik erweist sich insbesondere als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen religiösen Überzeugung.

Der Kläger befand sich im Zeitpunkt der Ausreise darüber hinaus in der latenten Gefahr politisch bzw. religiös motivierter Verfolgung.

Nach Auffassung des Gerichts sprechen überwiegende Gründe dafür, daß der Beigeladene aus der Sicht der islamischen Theologie und Rechtslehre nicht nur als einfacher christlicher Gläubiger anzusehen ist, sondern sich durch sein Verhalten vom islamischen Glauben abgewandt hat und damit den in der islamischen Rechtslehre anerkannten Tatbestand der Apostasie erfüllt, der mit erheblichen Strafen, bis hin zur Todesstrafe belegt werden kann. Das Gericht vermag nicht der Auffassung zu folgen, daß ein Übertritt zum Christentum gar nicht vorliege, da der Beigeladene von Anfang an christlich erzogen worden sei. Der Beigeladene hatte als Findelkind zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit muslimische Eltern. Insbesondere vertrat der - auch zur Zeit des Schah - islamisch orientierte Staat Iran die Stelle seiner Eltern, er erhielt einen islamischen Namen und wurde zunächst für zwei jahre in ein islamisches Waisenhaus aufgenommen. Seine im weiteren erfolgte christliche Erziehung und spätere Taufe kann aus dem Blickwinkel des islamischen Staates ohne weiteres als Abwendung von dem in seinen ersten Lebensjahren scheinbar vorgezeichneten Lebensweg als Muslim gesehen werden. Da der Beigeladene diesen Weg bewußt und aktiv gewählt hat, ist es nicht fernliegend, daß sich hieraus gegen ihn ein Vorwurf herleiten läßt.