VG Kassel

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Zitieren als:
VG Kassel, Urteil vom 28.05.1998 - 3 E 1773/94.A(3) - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13620
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Bürgerkrieg, Gebietsgewalt, Quasi-staatliche Verfolgung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Extreme Gefahrenlage, Versorgungslage, Existenzminimum
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person.

Das Gericht ist der Überzeugung, daß in Afghanistan momentan und auf absehbare Zeit kein Staat existiert, der Kläger also bei Rückkehr keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt sein wird.

Dem Kläger steht aber ein Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG in seiner Person zu, soweit die Abschiebung nach Afghanistan betroffen ist.

Der UN-Koordinator für Katastrophenhilfe Vieiro de Mello sah sich veranlaßt, die Lebensbedingungen in Afghanistan als "entsetzlich" zu bezeichen (dpa-Meldung vom 27.02.1998). Auch das Auswärtige Amt geht jüngst davon aus, daß die afghanische Bevölkerung bei lückenhafter Tätigkeit der Hilfsorganisationen weitgehend am Rande oder unterhalb des Existenzminimums lebt (Lagebericht vom 24.02.1998) und deswegen insbesondere die Rückkehr alleinstehender Frauen unzumutbar ist (AA an VG Koblenz vom 24.02.1998); das erkennende Gericht schließt daraus, daß sich Rückkehrer regelmäßig eine Existenzgrundlage nicht werden verschaffen können. Der Gutachter Dr. Danesch beschreibt die Lage in Afghanistan und die Tätigkeit der UNO dahingehend, die Nahrungsmittelhilfe beschränke sich im Großen und Ganzen auf die Verteilung von trockenem Brot, zusätzlich würden ein bis zweimal im Jahr Decken, Zucker und Öl ausgegeben. Die überwiegende Mehrheit der Kabuler Bevölkerung vegetiere unter elenden Bedingungen dahin, die Lage der Bevölkerung in den anderen Städten Afghanistans sei nicht anders zu beurteilen. Die Arbeitslosigkeit habe eine Rate von 90 %. In den Städten könnten Rückkehrer nicht damit rechnen, die bei ihrer Flucht vorhandenen sozialen und sonstigen Strukturen wieder anzutreffen. Die Mehrzahl der Afghanen sei zu einem langsamen Hungertod verurteilt, sollte diese Situation fortdauern (Danesch an VGH Mannheim vom 13.03.1998).