VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 09.03.1998 - 11 K 22/98.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13630
Leitsatz:
Schlagwörter: Syrien, Christen (syrisch-orthodoxe), Assyrer, Beth Nahrein, Mitglieder, Legale Ausreise, Religiös motivierte Verfolgung, Gruppenverfolgung, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Exilpolitische Betätigung, Assyrischer Kulturverein, Funktionäre, Überwachung im Aufnahmeland, Familienangehörige, Sippenhaft
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Klage hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer ( vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG ) insoweit Erfolg, als der Kläger zu 1) mit ihr die Verpflichtung der Beklagten begehrt, festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich einer Abschiebung in die Arabische Republik Syrien vorliegen.

Allein wegen ihrer christlichen ( syrisch- orthodoxen ) Religionszugehörigkeit droht den Klägern in Syrien keine politische Verfolgung. Die in Syrien lebenden Christen unterlagen weder im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger im Jahre 1986 noch unterliegen sie heute unmittelbar oder mittelbar staatlicher gruppengerichteter Verfolgung.

Nichts anderes gilt für ihre Zugehörigkeit zur assyrischen Minderheit in Syrien.

Das Begehren des Klägers zu 1), die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, hat aber Erfolg.

Für den Kläger zu 1) besteht bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung für die Sache der assyrischen Minderheit. Auf seine Initiative hin wurde in Wadgassen ein assyrischer Kulturverein gegründet, dessen über 50 Mitglieder sich für die Pflege und Erhaltung der assyrischen Kultur und Sprache einsetzen. Der Kläger zu 1) als 1. Vorsitzender übernimmt dabei die zentrale Rolle eines Koordinators der verschiedenen auf das gesamte Bundesgebiet ausgerichteten Tätigkeiten. So hält er Kontakte zu anderen assyrischen Vereinen und Parteien, z. B. der ADO, der Shuraya und der Beth-Nahrein, und er unterrichtet im Rahmen einer vom Kulturverein regelmäßig ausgerichteten Sonntagsschule in assyrischer Sprache und Geschichte. Darüber hinaus hat er am 07.03.1998 in Wadgassen einen Gottesdienst organisiert, in dessen Vorfeld in öffentlichkeitswirksamer Weise über das assyrische Volk und seine Verfolgungsgeschichte in Syrien berichtet wurde.

Das Gericht geht nach der übereinstimmenden Auskunftslage davon aus, daß der syrische Geheimdienst Informationen über in der Bundesrepublik Deutschland tätige syrische oppositionelle Gruppierungen und hier lebende Regimegegner sammelt.

Belege dafür, daß jegliche - auch nur untergeordnete - exilpolitische Betätigung den syrischen Behörden zur Kenntnis gelangt, gibt es indes nicht.

Etwas anderes kann freilich dann gelten, wenn der Betreffende exilpolitisch

- entweder als exponierte Persönlichkeit

- und/ oder in exponierter Weise in Erscheinung tritt,

wobei auch der Charakter und die Zielrichtung der Veranstaltung von Bedeutung sein kann.

Dies trifft auf den Kläger zu 1) zu.

Den politisch niemals in Erscheinung getretenen Klägern zu 2) - 4) droht die von ihnen geltend gemachte politische Verfolgung jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 51 Abs. 1 AuslG.

Eine politische Verfolgung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die politische Verfolgung des Klägers zu 1).

Nach der Überzeugung der Kammer praktizieren die syrischen Sicherheitsbehörden keine generelle Angehörigenverfolgung im Sinne einer Sippenhaft.

Vielmehr ist - der Einschätzung des Deutschen Orient- Instituts folgend- anzunehmen, daß lediglich Familienmitglieder von ernsthaften Oppositionellen Sippen- bzw. Geiselhaft zu befürchten haben.

Trotz der oben bejahten Rückkehrgefährdung des Klägers zu 1) kann nicht davon ausgegangen werden, daß dieser bei den von ihm entwickelten Aktivitäten von den syrischen Sicherheitskräften als ein solch gefährlich einzuschätzender Oppositioneller angesehen wird, daß ein Rückgriff auf die Kläger 2) - 4) im Sinne einer Stellvertreter- oder Geiselhaft geboten erschiene.