VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 16.03.1998 - 2 K 89/94.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13646
Leitsatz:
Schlagwörter: Algerien, FIS, Mitglieder, Demonstrationen, Vorladung, Polizei, Glaubwürdigkeit, Dokumente, Urkundenfälschung, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Medienberichterstattung, Antragstellung als Asylgrund, Situation bei Rückkehr, Einreise, Verhör, Strafverfolgung
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AlgStGB Art. 87
Auszüge:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.

Der Kläger hat zunächst nicht glaubhaft gemacht, daß er vor seiner Ausreise aus Algerien dort einer politischen Verfolgung ausgesetzt war oder daß ihm eine solche gedroht hat. Das Gericht teilt dabei die im Bescheid des Bundesamtes vom 17.02.1994 erhobenen Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers.

Dabei kann offenbleiben, ob sein Vortrag, er sei FIS-Mitglied gewesen, ebenfalls unwahr ist. Denn aufgrund der dem Gericht vorliegenden Auskünfte kann nicht festgestellt werden, daß nach dem Verbot des FIS allen seinen Mitgliedern eine Verfolgung durch die algerischen Behörden gedroht hätte.

Zur Überzeugung des Gerichts ist es im Hinblick auf die derzeitige politische Lage in Algerien und den Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Asylgründe auch nicht hinreichend wahrscheinlich, daß ihm zum jetzigen Zeitpunkt eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr droht.

Der Kläger hat zunächst keine Verfolgung zu befürchten, weil er Mitglied des FIS war. Die Mitgliedschaft im FIS ist aufgrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nicht geeignet, eine staatliche Verfolgung bei einer Rückkehr zu begründen. Denn die Mitgliedschaft im FIS, ohne besondere, als staatsgefährdend eingestufte Aktivitäten an den Tag gelegt zu haben, ist in Algerien kein Delikt.

Auf jeden Fall kann aus den vorliegenden Auskünften nur der Schluß gezogen werden, daß eine Verfolgung von einfachen Mitgliedern und Sympathisanten der FIS sich allenfalls in Einzelfällen ereignet, nicht jedoch in einer größeren Zahl von Fällen, so daß eine Verfolgung dieser Personen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann.

Im Hinblick auf die derzeitigen Ereignisse in Algerien sind die algerischen Sicherheitsbehörden zudem derart mit der Bekämpfung der bewaffneten islamischen Terrorgruppen beschäftigt, daß selbst die Suche nach solchen Personen, die sich noch nach dem Verbot der FIS politisch betätigt haben, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht stattfindet (vgl. Deutsches Orient-Institut an VG Kassel vom 21.11.1997). Damit ist es aber erst recht sehr unwahrscheinlich, daß die algerischen Behörden heute noch eine Person verfolgen, die vor dem Verbot nicht in herausgehobener Funktion für den FIS tätig gewesen war.

Es kann auch mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, daß dem Kläger eine politische Verfolgung wegen der Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik droht.

Es gibt auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer allgemeinen Gefährdung von Rückkehrern, Opfer von Mißhandlungen oder Folter im Zusammenhang mit den Verhören zu werden. Allein die Inhaftierung zum Zwecke des Verhörs bei der Wiedereinreise nach Algerien stellt keine intensive Freiheitsentziehung dar, die den einzelnen vor eine für ihn ausweglose Lage stellte und nach Schwere und Intensität die Menschenwürde verletzte.

Auch im Hinblick auf die vom Kläger geschilderten exilpolitischen Aktivitäten kann nicht festgestellt werden, daß ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Algerien eine Verfolgung droht. Denn nach den vorliegenden Erkenntnissen können Äußerungen algerischer Staatsangehöriger in deutschen Medien allenfalls dann zu Verfolgungsmaßnahmen führen, wenn sie nicht nur sachlich-kritisch ausfallen, sondern als staatsfeindlich einzustufen sind (vgl. Auswärtiges Amt an VG Kassel vom 27.08.1997). Zu den Aktivitäten, die mit Gewißheit bei einer Rückkehr nach Algerien geahndet werden, gehören jene Aktivitäten, die in Art. 87 bis 6. des algerischen Strafgesetzbuches definiert sind. Dort heißt es, daß sich jeder Staatsbürger nach algerischem Recht strafbar macht, der sich im Ausland einer terroristischen Gruppe oder Organisation anschließt oder zu ihren Gunsten aktiv ist. In der Praxis bedeutet das, daß z.B. die Waffenbeschaffung sowie die Sammlung von Geldern im Ausland zugunsten bewaffneter islamistischer Untergrundgruppen nach Art. 87 bis 6. algerisches Strafgesetzbuch geahndet werden. Daß diese Voraussetzungen beim Kläger vorliegen, kann jedoch nicht festgestellt werden.