VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 01.12.1998 - 10 VG A 3045/96 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13752
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Sunniten, Paschtunen, D (A), Studium, Familienangehörige, DVPA, Asylberechtigte, Babrak Karmal, Verwandtschaft, Nachfluchtgründe, Objektive Nachfluchtgründe, Sippenhaft, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Publikationen, Gebietsgewalt, Quasi-staatliche Verfolgung, Reisewege
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Einer Auswertung der für das Gericht erreichbaren Erkenntnisquellen ist nicht zu entnehmen, daß sich in Afghanistan Regionen mit einer selbständigen übergreifenden effektiven Ordnungsmacht gebildet haben, die ihrerseits zu politischer Verfolgung nach Art. 16a Abs. 1 GG fähig wären, mithin quasi-staatliche Gebietsgewalten, sei es im Gebiet der Taleban oder im Bereich der Nordallianz vorliegen.

Der Kläger kann jedoch Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG beanspruchen.

Dabei war nach dem gegenwärtigen Sachstand auf das von den Taleban beherrschte Gebiet abzustellen, da nur dieses derzeit erreichbar ist.

Wie der Kläger glaubhaft und widerspruchsfrei im Verwaltungsverfahren vorgetragen und im Klageverfahren wiederholt hat, hat er enge persönliche und familiäre Beziehungen zu hochrangigen Persönlichkeiten der DVPA. Seine Eltern gehörten der DVPA an, sein Vater bekleidete zeitweise unter Karmal den Posten eines Staatssekretärs und stellvertretenden Finanzministers. Sein Onkel mütterlicherseits wurde zur Zeit der Regierung Karmals Hauptabteilungsleiter im Wirtschaftsministerium. In der Zeit vor der Machtergreifung fanden regelmäßige politische Treffen u.a. im Elternhaus des Klägers statt, an denen sowohl sein Vater als auch Nadjimi teilnahmen. Außerdem gab es familiäre Treffen zwischen den Familien. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingehend erläuterte, bestanden auch familiäre und persönliche Beziehungen zu Babrak Karmal und dessen Bruder.

Diese vielfältigen Beziehungen zu hochgestellten Persönlichkeiten des früheren Regimes begründen nach Überzeugung des Gerichts auch heute noch für den Kläger die Gefahr, im Falle seiner Rückkehr erheblichen Repressionen ausgesetzt zu werden. Denn aufgrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, daß für herausragende Funktionäre ein erhebliches Risiko im Falle einer Rückkehr besteht. Zwar ist der Kläger nicht selbst diesem Personenkreis zuzurechnen, doch wird in Afghanistan auch im Wege der Sippenhaft auf andere Personen zugegriffen. Hinzu kommt, daß er selbst schon als Jugendlicher Mitglied der DVPA geworden ist, was ihn zusätzlich dem Verdacht einer oppositionellen Einstellung aussetzt.

Außerdem wurde er auch aufgrund seines familiären Hintergrunds für ein Studium in der Bundesrepublik ausgewählt. Schließlich setzt es ihn weiterem Verdacht einer oppositionellen Einstellung aus, daß der Kläger längere Zeit im westlichen Ausland gelebt und sich in der Bundesrepublik politisch betätigt hat.