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OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 25.08.1998 - OVG 1 BB 274/98 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13756
Leitsatz:

Zulassung der u.a. auf § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützten Beschwerde einer alleinstehenden Muslimin mit 2 Kindern. (amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Bosnier, Bosnien-Herzegowina, Moslems, Alleinstehende Frauen, Kinder, Situation bei Rückkehr, Moslemisch-Kroatische Föderation, Abschiebungshindernis, Existenzminimum, Beschwerdezulassungsantrag, Aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Sofortvollzug
Normen: VwGO § 146 Abs. 4; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
Auszüge:

Zulassung der u.a. auf § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützten Beschwerde einer alleinstehenden Muslimin mit 2 Kindern. (amtlicher Leitsatz)

 

Über die gegenwärtigen Aufnahmebedingungen für im bosniakisch dominierten Teil der Föderation bodenständige Rückkehrer lassen sich aus den vorliegenden und vom Verwaltungsgericht ausgewerteten Dokumenten mit einiger Sicherheit Aufschlüsse gewinnen. Diese mögen auch bisher auf die Zuwanderung von Muslimen zutreffen, die aus der Republik Srpska stammen. Es ist aber wesentlich weniger klar und wesentlich schwieriger einzuschätzen, welche Verhältnisse sich im bosniakischen Teil der Föderation entwickeln werden, wenn als Folge des gleichzeitigen Vorgehens aller Bundesländer nach dem Auslaufen der bundesweiten Duldungspraxis schlagartig eine große Zahl von Zuwanderern in das bosniakische Föderationsgebiet gedrängt wird. Wenngleich die Antragstellerin den Aspekt der gleichzeitigen Zuführung einer großen Zahl von Personen nicht besonders herausgehoben hat, stellt dies doch den tatsächlichen Hintergrund der vorgebrachten Einwendungen gegen die Annahme dar, die für die Rückkehr in die Heimatregionen anzutreffenden Bedingungen würden sich in gleicher Weise für die Zuführung neuer Binnenflüchtlinge ergeben.

Die in das bosniakische Föderationsgebiet gedrängten, aus den Gebieten der Republik Srpska stammenden Personen können, worauf sich auch die Antragstellerin beruft, überwiegend nicht mit Hilfestellung durch vorhandene Familienverbände, Nachbarschaften oder Dorfgemeinschaften rechnen.

Die Situation der Antragstellerin ist zusätzlich dadurch erschwert, daß ihr als Witwe allein die Sorge für ihre Kinder obliegt. Auch dieses tatsächliche Erschwernis legt die Antragstellerin im Zulassungsantrag dar. Schon bisher gibt es Hinweise, daß bei dem Verteilungskampf insbesondere um Unterkünfte alleinstehende Frauen mit Kindern an den Rand gedrängt zu werden drohen.

Nicht berufen hat sich die Antragstellerin darauf, daß das Verwaltungsgericht die von der Antragsgegnerin für die Vollzugsanordnung gegebene Begründung (§ 80 Abs. 3 VwGO) als ausreichend angesehen hat. In dem weiteren Beschwerdeverfahren wird sich diese Frage stellen. Die Antragsgegnerin begründet den Sofortvollzug stereotyp mit dem Argument, nach § 72 Abs. 1 AuslG hätten Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Aufenthaltsgenehmigung keine aufschiebende Wirkubng, deshalb müsse der betreffende Ausländer die Bundesrepublik alsbald verlassen. Das gleiche gelte auch, wenn der Antragsteller bisher lediglich geduldet worden sei. Diese Begründung geht jedenfalls am gegebenen Fall vollständig vorbei, in welchem allein das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses den Problemgehalt der Entscheidung ausmacht, und zwar den Problemgehalt der Abschiebungsandrohung selbst; denn eine Klärung der strittigen Fragen durch einen gedanklich vorausgehenden und kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Bescheid ist hier nicht erfolgt. Die Argumentation der Antragsgegnerin läuft in Fällen wie diesem auf eine generelle Ersetzung der gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung durch einen nicht fallbezogenen, routinemäßig angeordneten Sofortvollzug hinaus. Es ist zu bezweifeln, daß sich dies mit dem Erfordernis der Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 VwGO vereinbaren läßt.