VG Bayreuth

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Zitieren als:
VG Bayreuth, Urteil vom 02.09.1998 - B 5 K 98.30722 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13762
Leitsatz:
Schlagwörter: Mazedonien, Albaner, PDSH, Demonstrationen, Hausdurchsuchung, Frauen, Vergewaltigung, Geschlechtsspezifische Verfolgung, Glaubwürdigkeit, Amtswalterexzesse, Zurechenbarkeit, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis
Normen: AuslG § 53
Auszüge:

Das Gericht hält es für nachvollziehbar, daß die Polizisten nach der Demonstration gezielt in das Haus der Klägerin zu 1.) gekommen sind, um nach ihrem aktiv als Parteimitglied tätigen Ehemann zu suchen und die Gelegenheit nutzten, die Klägerin zu 1.) zu vergewaltigen, die ihnen, wie die Klägerin zu 1.) vortug, als aktives Mitglied der albanischen Partei in Mazedonien bekannt war. Die Tatsache der von der Klägerin zu 1.) erlittenen Vergewaltigung ist zudem durch die von ihr vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 18.02.1998 ausreichend glaubhaft gemacht Dasselbe gilt für deren Nachwirkungen, unter der die Klägerin zu 1.) immer noch leidet, wie aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Attest vom 18.8.1998 hervorgeht.

Die Polizisten haben mit der Vergewaltigung der Klägerin zu 1.) auch nach mazedonischem Recht eine Straftat begangen, für die entsprechende Sanktionen festgelegt sind. Es trifft aber nicht zu, daß etwa Vergewaltigungen oder sonstige Mißhandlungen von Angehörigen der albanischen Minderheit in Mazedonien an der Tagesordnung wären oder von der Regierung grundsätzlich gebilligt würden. Die Handlungen der Polizisten gegenüber der Klägerin zu 1.) sind dem mazedonischen Staat also grundsätzlich nicht zuzurechnen, so daß die Klägerin zu 1.) auch keiner mittelbaren staatlichen Verfolgung ausgesetzt ist. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat daher in seinem Bescheid vom 9.7.1998 zu Recht festgestellt, daß im Falle der Kläger die Voraussetzungen des Art. 16 a GG und von § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.

Dagegen ist die Klage begründet, soweit die Kläger die Feststellung begehren, daß in ihrem Falle Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Nach Auffassung des Gerichts droht der Klägerin zu 1.) bei einer Abschiebung nach Mazedonien die konkrete Gefahr menschenunwürdiger Behandlung. Sie muß damit rechnen, daß sie anläßlich von weiteren Hausdurchsuchungen weiterhin mißhandelt oder sogar vergewaltigt wird, wenn die Gelegenheit für die durchsuchenden Sicherheitskräfte günstig ist. Nach den Angaben der Klägerin zu 1.) hat sich auch nach ihrer Ausreise nichts daran geändert, daß die Polizisten weiter nach ihrem Ehemann suchen.

Die Möglichkeit der Klägerin zu 1.) mit rechtlichen Mitteln gegen die gegen sie begangenen Straftaten und gegen sie geäußerten Drohungen vorzugehen, sind zwar theoretisch gegeben, nach Überzeugung des Gerichts aber im Zusammenhang mit der Demonstration in Gostivar praktisch ausgeschlossen. Als Angehörige der albanischen Bevölkerungsminderheit wird die Klägerin, wenn sie gegen die Polizisten vorgeht, keine realistische Chance haben, daß ihr geglaubt wird.