OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 07.12.1998 - 9 Q 184/98 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13774
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Divergenzrüge, Drittstaatenregelung, Einreise, Seeweg, Glaubhaftmachung, Beweislast, Urteilsbegründung, Verfahrensmangel, Rechtliches Gehör, Sachverhaltsaufklärung, Beweisantrag
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3; VwGO § 108; ZPO § 294; AsylVfG § 26a Abs. 1; VwGO § 138 Nr. 3; VwGO § 138 Nr. 6
Auszüge:

Der auf sämtliche Gründe des § 78 III AsylVfG gestützte Antrag des Beteiligten auf Zulassung der Berufung gegen das im Beschlußtenor bezeichnete Urteil ist erfolglos.

Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger mit dem angefochtenen Urteil einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a I GG zuerkannt, ohne sich in den Entscheidungsgründen über die Frage eines etwaigen Asylrechtsausschlusses nach Art. 16 a II GG, § 26 a I 1 AsylVfG wegen Einreise aus einem sicheren Drittstaat zu verhalten. Im Tatbestand des Urteils heißt es, der Kläger sei seinen Angaben nach am 31. März 1996 auf dem Seeweg in den Geltungsbereich des Asylverfahrensgesetzes eingereist, und wird als sein Sachvortrag wiedergegeben, daß er am 24. Februar 1996 mit dem Schiff über die Provinz Zhejiang ausgereist sei. Sonstige Feststellungen über den Reiseweg enthält das Urteil nicht.

Der Beteiligte macht geltend, diese Entscheidung weiche im Sinne des § 78 III Nr. 2 AsylVfG von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, und zwar vom Urteil vom 21. Juni 1988 - 9 C 12.88 - sowie vom Urteil vom 29. November 1977 - 1 C 33.71 -.

Dieser Einwand greift nicht durch.

Die bloße unrichtige Anwendung eines Rechtsgrundsatzes, den ein dem erkennenden Verwaltungsgericht im Sinne des § 78 III Nr. 2 AsylVfG übergeordnetes Gericht entwickelt hat, begründet keine zur Berufungszulassung zwingende Divergenz.

Eine solche liegt vielmehr nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen (abstrakten) Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem in der Rechtsprechung eines der in § 78 III Nr. 2 AsylVfG genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz nicht übereinstimmt.

Auf die den Anknüpfungspunkt der Divergenzrüge des Beteiligten bildende Drittstaatsregelung in Art. 16 a II GG, § 26 a I AsylVfG übertragen, ergibt sich aus dieser Rechtsprechung: Gem. § 26 a I AsylVfG wird nicht als Asylberechtigter anerkannt, wer aus einem Drittstaat im Sinne von Art. 16 a II 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist. Daß dem im Einzelfall so war, gehört zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Asylanerkennung, die nach den zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Prozeß zur Überzeugung des Richters feststehen müssen und für deren Vorliegen der Asylbewerber die objektive Beweislast trägt.

Ausgehend davon vermag der beschließende Senat nichts zu erkennen, was die Annahme rechtfertigte, das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe im Zusammenhang mit der Drittstaatsregelung auf einem von der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz. Einen sich mit Blick auf § 26 a I AsylVfG als Divergenz der Judikatur darstellenden Grundsatz hat das Verwaltungsgericht offenkundig nicht ausdrücklich aufgestellt. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß dies stillschweigend geschehen sei. Ein nicht ausdrücklich formulierter divergenzfähiger Rechtssatz des Verwaltungsgerichts kann wegen der für die Divergenzrüge unerheblichen Möglichkeit einer bloß fehlerhaften einzelfallbezogenen Rechtsanwendung prinzipiell nicht durch eine interpretierende Analyse der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gewonnen werden.

Zu Unrecht auch beruft sich der Beteiligte darauf, die angefochtene Entscheidung sei nicht im SInne von § 78 III Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 6 VwGO mit Gründen versehen, weil es in ihr "an jeglichen Ausführungen zu den behaupteten Einreisemodalitäten" fehle und das Verwaltungsgericht "Tatsachenerwägungen" (individuelles Vorbringen des Beigeladenen zum Einreiseweg) "vollkommen unerwähnt gelassen" habe.

Eine Entscheidung ist dann im Verständnis des § 138 Nr. 6 VwGO "nicht mit Gründen versehen", wenn entweder in ihrem Tenor überhaupt keine Gründe beigegeben sind oder die Begründung völlig unvollständig und verworren ist, so daß sie in Wirklichkeit nicht erkennen läßt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren. Nach zutreffender Auffassung ist dagegen § 138 Nr. 6 VwGO in der Regel nicht schon in den Fällen verletzt, in denen die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind.

Nur dies macht hier aber der Beteiligte letztlich geltend, wenn er in den Gründen des angefochtenen Urteils eine rechtliche Würdigung der Asylverpflichtungsklage unter dem Aspekt der Drittstaatsregelung vermißt und sich damit der Sache nach auf die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe beruft. Zwar kann sich ausnahmsweise auch ein solcher Formmangel als Verstoß gegen § 138 Nr. 6 VwGO darstellen. Denkbar ist das jedoch nur dann, wenn das Urteil auf "einzelne Ansprüche" oder "einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel" überhaupt nicht eingeht.

Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor. Insbesondere hat sich weder die Beklagte noch der Beteiligte im Verlauf des bundesamtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf den Asylausschlußgrund des § 26 a I AsylVfG berufen.

Unbegründet ist schließlich auch die Verfahrensrüge des Beteiligten nach § 78 III Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO, das Verwaltungsgericht habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Einen solchen Gehörsverstoß erblickt der Beteiligte darin, daß die Vorinstanz auf der Grundlage allein der Behauptung des Klägers über die Art und Weise seiner Einreise ins Bundesgebiet nicht die erforderliche Überzeugung von der Wahrheit dieser Schilderung habe gewinnen können und deshalb den Beweiswürdigungsgrundsatz des § 108 VwGO außer Acht gelassen habe.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs schützt prinzipiell nicht vor einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung.