OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 01.12.1998 - 12 L 1733/96 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13804
Leitsatz:
Schlagwörter: Sri Lanka, Tamilen, Berufung, Bundesbeauftragter, Gruppenverfolgung, Glaubwürdigkeit, Abschiebungshindernis, Situation bei Rückkehr, Psychische Erkrankung
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 und 53 Abs. 4 AuslG iVm Art. 3 EMRK bestehen nicht, da dem Kläger weder die konkrete Gefahr der Folter noch eine grausame unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr in sein Heimatland droht. Indessen ist von der Beklagten festzustellen, daß in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG erfüllt sind.

Der Kläger leidet nach dem Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Mohr vom 21. April 1994 an einer "schweren depressiven Reaktion", diesen Befund bestätigt das Gutachten des Gesundheitsamtes des Landkreises Wesermarsch vom 1.Oktober 1998, wo ausgeführt ist, der Kläger leide an einer "reaktiven Depression i.S. eines Entwurzelungssyndroms", die vor dem Hintergrund zu sehen ist, daß der Kläger aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in Sri Lanka seine Familie verloren hat. Der als Zeuge vernommene Betreuer des Klägers hat die besondere Bedürftigkeit des Klägers bestätigt. Seine Aussage ergibt überzeugend, daß der Kläger allein nicht bestehen könnte. Diese Folge träte aber ein, wenn er die Bundesrepublik verlassen müßte.

Diese Befunde bewertet der Senat dahin, daß dem Kläger in verfassungskonformer Auslegung (Art. 1, 2 GG) und Anwendung von § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG Schutz vor Abschiebung zu gewähren ist, da er in Sri Lanka einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, so daß er im Falle seiner Abschiebung "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert wäre". Insbesondere der Befund "reaktive Depression i.S. eines Entwurzelungssyndroms" läßt es i.S.v. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht zu, gegenwärtig den Kläger nach Sri Lanka abzuschieben, dort leben keine Verwandte, in der Bundesrepublik hingegen wohnt ein zu dessen Betreuung bereiter Sohn des Klägers. Der Senat verkennt nicht, daß das Gutachten des Gesundheitsamtes des Landkreises Wesermarsch vom 1. Oktober 1998 vornehmlich auf die organische Erkrankung des Klägers abhebt, allerdings die seelische Erkrankung des Klägers auch anspricht und in dem Gesamtzusammenhang dahin zu würdigen ist, daß der Kläger aufgrund der seelischen Erkrankung bei einer Rückkehr nach Sri Lanka in eine lebensgefährliche Situation versetzt würde.