Der Widerruf der Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte sowie der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter wie auch die Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, dann unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Voraussetzung für einen Widerruf ist somit, daß die Voraussetzungen für den ursprünglichen Bescheid nicht mehr vorliegen, also die Gefahr politischer Verfolgung bei einer Rückkehr nachträglich weggefallen ist. Dabei können die Ursachen für den Wegfall dieser Gefahr in der Person des Ausländers oder in den Verhältnissen im (ehemaligen) Verfolgerstaat liegen. Diese Ursachen müssen die asylrelevante Verfolgungsgefahr objektiv beseitigt haben. Wie bei einer Asylanerkennung selbst ist bei der Widerrufsentscheidung eine auf absehbare Zeit ausgerichtete Gefahrenprognose anzustellen. Die freiwillige Rückkehr in den Verfolgerstaat kann zwar einen Wegfall der Verfolgungsgefahr indizieren, wenn Verfolgungsmaßnahmen ausbleiben. Dabei erlaubt der dauernde verfolgungsfreie Verbleib im Heimatstaat den Schluß auf den Nichteintritt von Verfolgungsmaßnahmen auch für die Zukunft. Einem zeitweiligen Aufenthalt zu vorübergehenden Zwecken kann diese Bedeutung nicht ohne weiteres zugemessen werden. Einem bloß kurzfristigen Besuch kommt kaum Indizwirkung zu; erst wenn sich nach der Einreise ergibt, daß Verfolgungsmaßnahmen tatsächlich ausbleiben, sind die Voraussetzungen für den ursprünglichen Bescheid entfallen. Objektive Veränderungen im Verfolgerstaat (friedliche oder gewaltsame Änderungen des Regierungssystems, Regierungswechsel, Amnestie, Liberalisierung des Strafrechts oder der Strafpraxis) können die Verfolgungsgefahr ebenfalls beseitigen; allerdings rechtfertigt eine äußerliche Veränderung objektiver Umstände allein noch keine Korrektur der auf absehbare Zeit auszurichtenden Gefahrenprognose für den Einzelfall (vgl. Kanein/Renner, 6. Auflage 93, Rd.Nr. 4 ff. zu § 73). Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist der angefochtene Widerrufsbescheid rechtswidrig. (...)
Im Irak wird illegaler Auslandsaufenthalt mit dem das Tatbestandsmerkmal politischer Verfolgung erfüllenden Strafmaß von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsentzug bedroht (UNHCR vom 12.5.1997 an VG München). Die Asylantragstellung als solche ist zwar kein eigener Straftatbestand, wird aber wegen der damit zwangsläufig verbundenen Distanzierung vom Herkunftsstaat unter die Straftatbestände der Verunglimpfung des Staates und seines Oberhauptes subsumiert, welche außerdem unverhältnismäßig scharf verfolgt werden (vgl. hierzu Ziffer 3 der Auskunft von amnesty international vom 28.10.1997 an VG Arnsberg). Eine inländische Fluchtalternative ist bislang nicht gesehen worden. Diese bisher auch vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zugrunde gelegte Einschätzung beruhte unter anderem auf den Lageberichten des Auswärtigen Amtes.
Unter Berufung auf neuere Lageberichte des Auswärtigen Amtes hat zum Teil das Bundesamt, vor allem aber der Bundesbeauftragte, diese bisherige Einschätzung geändert. Soweit hierbei die Ansicht vertreten wird, bei einer freiwilligen Rückkehr in den Nordirak über einen der angrenzenden Staaten sei nicht mit der Aufdeckung der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung zu rechnen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn zum einen verfügt die zu den repressivsten gehörenden irakische Regierung nach wie vor über eines der wohl engmaschigsten und effizientesten Spitzel- und Geheimdienstsysteme, dem zahlreiche Tötungen in Kurdistan zur Last gelegt werden. Die Umstände der Heimkehr eines kurdischen Asylbewerbers würden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in seinem Umfeld bekannt werden und zur Verfolgung durch den irakischen Geheimdienst führen. Zum anderen würden die Kläger durch eine Abschiebung in den Irak zwangsläufig in den Kontakt mit den irakischen Behörden gebracht. Auf eine rechtlich nicht abgesicherte Rückreisemöglichkeit - die Türkei ist als Transitland derzeit nicht bereit, an Abschiebungen in den Nordirak mitzuwirken - müssen sich Asylbewerber nicht einlassen.
Soweit die Ansicht vertreten wird, daß Kurden von politischer Verfolgung wegen illegalen Auslandsaufenthaltes und Asylantragstellung ausgenommen seien, ist dies rein spekulativ. Im Irak findet keine Bevorzugung oder Diskriminierung einzelner Bevölkerungsgruppen statt (so auch das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten). Verfolgt wird vielmehr dort, wo es zum eigenen Machterhalt als geboten erscheint, und zwar ohne Ansehen der Person. Die Annahme, daß gerade Kurden - das Vorgehen des irakischen Staates gegen die Kurden, auch unter Einsatz von Chemiewaffen, ist allgemein bekannt - in den Genuß einer etwaigen "Bevorzugung" kommen sollten, erscheint als äußerst fernliegend. Angesichts des im Irak bestehenden Staatsangehörigkeits-, Paß- und Meldewesens bleibt die einmal bekannt gewordene illegale Ausreise und die Asylantragstellung als Anknüpfungspunkt für Repressalien bei jedem einzelnen Staatsangehörigen auf Dauer verfügbar.
Für eine an den illegalen Auslandsaufenthalt sowie die Asylantragstellung anknüpfende politische Verfolgung besteht auch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Wenn - wie hier - die Gesamtumstände des Falles eine reale Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben, kann bei schwerwiegenden Eingriffen (mehrjährige Haftstrafe, Verstümmelung, Exekution) eine Rückkehr nicht zugemutet werden (BVerwG vom 5.11.1991, 9 C 118.90). Zwar hat insbesondere das Bundesamt in einigen seiner Bescheide ausgeführt, dortigerseits seien Fälle bekannt geworden, in denen irakische Kurden freiwillig in den Nordirak ein- und ausgereist seien. Dies mag so zutreffen. Selbst wenn jedoch Einzelne gewillt sind, möglicherweise aus zwingenden persönlichen oder familiären Gründen, sich einem Risiko auszusetzen, das bis zur Lebensgefahr geht, kann dies keine Rückschlüsse darauf zulassen, ob von einem Rechtsstaat dies dem Einzelnen gegen seinen Willen zugemutet werden kann. Erst recht kann hieraus nicht geschlossen werden, daß ein solches Risiko gar nicht bestünde. Gemessen an den in Frage stehenden Schutzgütern stellt sich im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Rückkehr (vgl. die bereits zitierte Entscheidung des BVerwG vom 5.11.1991) die Rechtslage so dar, daß derartige Maßnahmen im Bereich beachtlicher Wahrscheinlichkeit liegen. Von politischer Verfolgung wegen Asylantragstellung und unerlaubten Auslandsaufenthalts geht beispielsweise auch das Nds. OVG (U. v. 8. September 1998, S. 21/22 m.w.N. 9 L 2142/98) aus. In dieser Entscheidung ist ausgeführt, daß die Asylantragstellung von den irakischen Behörden als grober Akt der Illoyalität gegenüber dem irakischen Staat und als Kundgabe politischer Gegnerschaft angesehen wird. Dem schließt sich das Gericht an.
Damit haben die Kläger aufgrund ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet und der Asylantragstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung im Irak zu befürchten. Auch aus den Gründen, die zu einer Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte geführt haben, haben die Kläger nach wie vor bei einer Rückkehr in den Irak politische Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Auch insoweit hat sich an der Lage im Irak nichts geändert.
Die Kläger sind auch nicht im Norden des Irak hinreichend sicher im Sinne einer inländischen Fluchtalternative. Hierfür kommt es - entgegen der vom BayVGH im Urteil vom 11. Mai 1998 (27 B 98.30425) zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung - nicht darauf an, ob der irakische Staat im Nordirak noch Staatsgewalt ausübt.
Sicher im Sinne einer inländischen Fluchtalternative ist ein Ausländer dort, wo ihm innerhalb seines Herkunftsstaates weder politische Verfolgung noch sonstige Nachteile, welche von ihrer Schwere und Intensität her einer politischen Verfolgung gleichkommen, drohen (BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989 - 2 BvR 205/86 u.a.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Nordirak für irakische Staatsangehörige nicht gegeben. Im Nordirak besteht schon aufgrund der Aktivitäten der irakischen Geheimdienste in diesem Gebiet keine hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung.
Das Auswärtige Amt weist im Lagebericht vom 31. August 1998 (s. 3. Exkurs: Lage im Nordirak) darauf hin, daß seit Oktober 1996 ein reger Verkehr zwischen den Kurdengebieten und den zentralen Teilen des Irak (Aufhebung der Blockademaßnahmen durch Bagdad) herrscht. Dadurch haben sich nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes die Infiltrationsmöglichkeiten für irakische Sicherheitsdienste vergrößert. Der Bericht des UN-Sonderberichterstatters zur Menschenrechtslage im Irak führt nach diesem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (das selbst in der Vorbemerkung zu diesem Lagebericht darauf hinweist, daß die Botschaft Bagdad seit Januar 1991 nicht mehr besetzt ist und der Bericht vorrangig auf Erkenntnissen beruht, die der Botschaft Aman zugänglich waren sowie auf Erkenntnissen des VN-Sonderberichterstatters) Beispiele für politische Morde an Kurden durch irakische Sicherheitskräfte/Agenten an. Wie unter II Ziff. 6 des Lageberichts ausgeführt ist, sind im Bericht des VN-Sonderberichterstatters vom 27. Februar 1997 weitere Einzelbeispiele für Übergriffe irakischer Dienste auf Kurden im Nordirak ausgeführt. Wenn das Auswärtige Amt diesen Bericht als "eher dürftig" einschätzt, so kann dies schon deshalb nicht überzeugen, weil dem Auswärtigen Amt nach eigenen Angaben keine darüber hinausgehenden und eventuell ausführlicheren Berichte zugänglich sind. Amnesty international weist in der Auskunft um 17. November 1997 an das Verwaltungsgericht Bayreuth darauf hin, daß nach den Erkenntnissen von amnesty die irakischen Geheimdienste in der Schutzzone aktiv sind und zahlreiche Berichte über "Verschwindenlassen" und Tötungen von Kurden oder anderen vermeintlichen Oppositionellen vorliegen. Hierzu führt amnesty unter Ziffer 10 dieser Auskunft zahlreiche Einzelfälle an. Da sich durch die verbesserte Zugänglichkeit des Nordirak für irakische Sicherheitsdienste seit Oktober 1996 die Gefahr einer politischen Verfolgung vergrößert hat, sind die Kläger schon deshalb nicht sicher vor politischer Verfolgung im Nordirak.
Darüber hinaus drohen den Klägern im Nordirak auch sonstige Nachteile, die von ihrer Schwere und Intensität her einer politischen Verfolgung gleichkommen.
Zum einen ist aufgrund der Spannungen zwischen den in diesem Gebiet dominierenden kurdischen Gruppierungen, der KDP-Irak (= Kurdisch-Demokratische Partei-Irak) und der PUK (Patriotische Union Kurdistan) damit zu rechnen, daß dort in zwar zeitlich nicht genau vorhersehbaren, aber doch regelmäßigen Abständen mit Waffengewalt gegen unbeteiligte Zivilpersonen wie auch gegen politische Gegner vorgegangen wird. Das Auswärtige Amt hat im bereits zitierten Lagebericht ausgeführt, daß im September 1996 der Konflikt eskalierte, als reguläre Bagdader Truppen in die Auseinandersetzungen der beiden Parteien auf Seiten der KDP eingriffen, sich allerdings nach Erreichen der militärischen Ziele (Einnahme der Städte Erbil und Suleymania durch die KDP) wieder zurückzogen. Während dieser Ereignisse kam es zu zahlreichen Verhaftungen und Exekutionen von in den Nordirak geflüchteten Oppositionellen durch die irakischen Regierungstruppen und Sicherheitsdienste, daneben wurden viele Unbeteiligte Opfer der Kampfhandlungen. Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31. August 1998 ist ausgeführt, daß am 13. Oktober 1997 erneut Feindseligkeiten zwischen PUK und KDP ausgebrochen sind, die Lage sich aber Anfang 1998 beruhigt habe.
Die Gefahr erneuter Interventionen des irakischen Regimes ist angesichts der militärischen Überlegenheit der irakischen Streitkräfte, der Nähe ihrer Stützpunkte zu den kurdischen Gebieten und der Rivalität zwischen den kurdischen Parteien weiter gegeben. Angesichts der allgemein bekannten Haltung des irakischen Staates zu UN-Resolutionen ist davon auszugehen, daß der Irak - wie bereits geschehen - auch in Zukunft die Schutzzone nicht hinnehmen wird, sondern versuchen wird, sich bei nächstbietender Gelegenheit der Herrschaft über diese Gebiete wieder zu bemächtigen.
Zwischen den kurdischen Konfliktparteien kommt es nicht nur zu Spannungen, sondern auch nach Berichten von amnesty international - auf diese Berichte weist das Auswärtige Amt selbst im Lagebericht hin - zu schweren Menschenrechtsverstößen wie Festnahmen, Folterungen und extralegalen Tötungen. (...)
Da somit unter drei Gesichtspunkten (Verfolgung durch irakische Sicherheitskräfte und Geheimdienste, innerkurdische Auseinandersetzungen und militärische Operationen von verschiedener Seite) Gefahren für Rückkehrer in den Nordirak bestehen, die auf absehbare Zeit nicht ausgeräumt werden können und die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dazu geeignet sind, zu Gefahren für Leib und Leben der Rückkehrer zu führen, kann das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative in der Schutzzone im Nordirak nicht bejaht werden. Soweit das Auswärtige Amt im bereits erwähnten Lagebericht (II Ziff. 6) davon ausgeht, daß der Nordirak "bedingt" als eine innerstaatliche Fluchtalternative für Kurden angesehen werden könnte, kann das Gericht dem nicht zustimmen. Denn die in diesem Bericht eingeräumten und nach wie vor bestehenden innerkurdischen Auseinandersetzungen, die ebenfalls in diesem Bericht angesprochene Gefahr von sich wiederholenden Invasionen türkischer Truppen und die nach diesem Bericht sogar gesteigerte Möglichkeit irakischer Sicherheitsdienste, im Nordirak aktiv zu werden, müssen dazu führen, daß von dem Bestehen einer inländischen Fluchtalternative nicht gesprochen werden kann. Die vom Auswärtigen Amt in seinem Lagebericht erwähnte "bedingte innerstaatliche Fluchtmöglichkeit" besteht nicht, hierzu stehen andere Ausführungen des Auswärtigen Amtes und die weiteren zum Gegenstand des Verfahrens erklärten Erkenntnisquellen in unüberbrückbarem Widerspruch.
Damit sind im Falle der Kläger sowohl die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG als auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nach wie vor gegeben; der in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheid ausgesprochene Widerruf ist somit rechtswidrig.