VG Aachen

Merkliste
Zitieren als:
VG Aachen, Beschluss vom 10.11.1998 - 8 L 1506/98 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13824
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Bosnier, Bosnien-Herzegowina, Mischehen, Serben, Kroaten, Aufenthaltsbefugnis, Verlängerung, Humanitäre Gründe, Außergewöhnliche Härte, Erlasslage, Abschiebungsandrohung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AuslG § 30 Abs. 2; AuslG § 50 Abs. 3; AuslG § 53 Abs.4
Auszüge:

Die Entscheidung des Antragsgegners, die Verlängerung der der Antragstellerin zuletzt erteilten Aufenthaltsbefugnis abzulehnen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Begehren der Antragstellerin läßt sich nicht auf - den insoweit allein in Betracht zu ziehenden - § 30 Abs. 2 des Ausländergesetzes (AuslG) stützen.

Darüberhinaus begegnet die Abschiebungsandrohung als solche keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 50, 49 AuslG liegen vor.

Indes begegnet die Benennung von " Bosnien-Herzegowina" als das Land, in das die Antragstellerin abgeschoben werden soll, rechtliche Bedenken.

Die Kammer neigt für den vorliegend zu beurteilenden Fall dazu, eine Abschiebung nach Bosnien- Herzegowina gemäß § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 ( EMRK ) - BGBl. 1952 II S. 686 - als rechtswidrig anzusehen, ohne daß dies im Eilverfahren in tatsächlicher Hinsicht abschließend geklärt werden kann oder muß.

Die Antragstellerin, die nach ihren - vom Antragsgegner nicht in Zweifel gezogenen - Angaben serbische Volkszugehörige und mit einem kroatischen Volkszugehörigen verheiratet ist, dürfte derzeit in das Föderationsgebiet von Bosnien-Herzegowina nicht zurückkehren können.

Für Angehörige gemischter Ehen und Familien gibt es nämlich grundsätzlich kein "Mehrheitsgebiet", in das sie gefahrlos zurückkehren könnten. Allerdings gilt für das Gebiet der Föderation, daß eine Rückkehr für jedermann in großstädtische Gebiete (namentlich Zenica, Tuzla, Sarajewo) grundsätzlich möglich ist, ohne Übergriffe oder Verfolgung befürchten zu müssen, da dort die Vorbehalte gegenüber Minderheiten geringer sind als in den ländlichen Gegenden. Aber auch in kleineren Gemeinden (z.B. Breza, Zivince) und im Una-Sana-Kanton gibt es positive Anzeichen für eine Reintegrierung gemischt-ethnischer Ehepaare und Familien.

Diese Einschätzung ist aber deshalb mit Unwägbarkeiten behaftet, weil weder festgestellt wird, ob dies für alle Städte im Föderationsgebiet gilt (hiergegen spricht die Beurteilung einzelner Städte in den Auskünften des AA ), noch eine klare Abgrenzung dahingehend getroffen wird, wo städtische Gebiete anfangen und ländliche aufhören.

Den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen läßt sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, daß gemischt-ethnische Familien, bei denen einer der Partner serbischer Volkszugehöriger ist, gefahrlos in die Föderation zurückkehren können. Zu berücksichtigen ist, daß Serben sowohl von den Bosniaken als auch von Kroaten als Aggressoren angesehen und in ihrem jeweiligen Mehrheitsgebiet nicht geduldet werden. Hinzu kommt, daß nach der Auskunftslage Rückkehrer aus gemischt- ethnischen Familien am ehesten im moslemisch-bosnisch dominierten Föderationsgebiet leben können.

Diese Möglichkeit dürfte sich für den Antragsteller und seine Ehefrau, eine serbische Volkszugehörige, verbieten, da weder er als Kroate noch seine Ehefrau als Serbin dort Angehörige der dominierenden Volksgruppe wäre.