VG Wiesbaden

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Zitieren als:
VG Wiesbaden, Beschluss vom 29.10.1998 - 2 E 70155/97.A(V) - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13956
Leitsatz:
Schlagwörter: Jemen, Sozialistische Partei des Jemen, JSP, Mitglieder, Front zur Befreiung des Südjemen, MOG, Hausdurchsuchung, Flugblätter, Haft, Folter, Richter, Befangenheit, Befangenheitsantrag, Verfahrensmangel, Rechtliches Gehör, Beweiswürdigung, Willkür
Normen: VwGO § 54 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Auszüge:

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen der Annahme der Besorgnis der Befangenheit nach den genannten gesetzlichen Vorschriften in ihrer Ausprägung durch Literatur und Rechtsprechung ist in den im Tenor bezeichneten Fällen vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger bzw. Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) zu Recht die Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich der vorsitzenden Richterin am VG xxx geltend gemacht worden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Verfahrensgang in den noch nicht entschiedenen Verfahren (2 E 40155/97, 2 E 40175/97 und 2 G 40007/98), sondern auch aus den vorhergehendenen, bereits entschiedenen, dasselbe Asylbegehren betreffenden Eilverfahren (2 G 40156/97, 2 G 40176/97; 2 E 40223/97 und 2 G 40300/97).

Die Besorgnis ihrer Befangenheit folgt im vorliegenden Fall daraus, daß ihr eine ganz ungewöhnlich große Zahl von Verstößen gegen Verfassungs- und Verfahrensrecht unterlaufen ist, die die gesamten Verfahren wie ein roter Faden durchziehen und ausnahmslos zu Lasten der Antragsteller gehen. Diese erwecken zu Recht bei dem Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller den Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung der Antragsteller.

Die die Befangenheit implizierenden Verstöße gegen Verfassungsrecht und die Verfahrensfehler sind teils offen erkennbar; teilweise erschließen sie sich aber auch erst bei sorgfältiger Durchsicht der Akten und Analyse der Beschlüsse der Richterin.

Insbesondere scheinen letztere bei oberflächlicher Betrachtungsweise zwar eine umfassende Erfassung des Sachverhalts, eine gründliche Prüfung der Lage im Jemen und eine sorgfältige Prüfung und Würdigung des Antragstellervorbringens zu beinhalten, wofür schon der Umfang der Beschlüsse mit bis zu 20 Seiten zu sprechen scheint. In Wirklichkeit ist aber - wie auszuführen ist -das Gegenteil der Fall.

So wird zunächst die Lage im Jemen nicht entsprechend den Grundsätzen des Verfassungs- und Verfahrensrechts untersucht; vielmehr werden als quasi unumstößliche Fakten allein zwei Lageberichte des Auswärtigen Amtes zugrundegelegt, ohne daß andere Erkenntnisse zur Lage im Jemen auch nur zur Kenntnis genommen werden. Ferner sind gravierende Fehler bei der richterlichen Beweiswürdigung festzustellen. Das gilt sowohl für die Bewertung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Antragsteller als auch deren Glaubwürdigkeitsbewertung. So wird das Vorbringen der Antragsteller - ohne sich wirklich näher damit auseinanderzusetzen - als unwahr bzw. frei erfunden eingestuft - und zwar unter Berufung auf im Rahmen richterlicher Unabhängigkeit durchgeführte sogenannte "freie Beweiswürdigung". Tatsächlich findet aber gar keine Beweiswürdigung statt oder es werden die Grenzen zulässiger freier Beweiswürdigung in Richtung einer Willkür überschritten. Erkenntnisse, die zugunsten der Antragsteller sprechen und zumindest hätten abgewogen werden müssen, werden nicht zur Kenntnis genommen oder mit leeren Floskeln als unerheblich abgetan. Schließlich sind der Richterin auch vielfache Verletzungen des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, sowie Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz, weitere Verfahrensfehler, wie das Übergehen von Anträgen der Antragsteller und das Ignorieren von Akteneinsichtsgesuchen unterlaufen.

Insgesamt ist festzustellen, daß der Richterin bei der Bearbeitung der Verfahren so viele Verfahrensfehler unterlaufen sind, daß die Annahme des Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller, es handele sich nicht nur um singuläre Versehen, sondern um ein von Voreingenommenheit geprägtes Bearbeiten, nicht von der Hand gewiesen werden kann. Das gilt umso mehr, als alle Verfahrensfehler regelmäßig zum Nachteil desselben Beteiligten - der Antragsteller - gereichen.

Aus dem Zusammenwirken dieser Gesetz und einhellige Rechtsprechung verletzenden vielfachen Verfahrensfehler zu Lasten der Antragsteller ergibt sich, daß zumindest der Anschein besteht, daß die Richterin in der Tat ihrem Vorbringen nicht mehr aufgeschlossen gegenüberzustehen scheint; darüber hinaus entsteht der Anschein bei der Auswertung der Akten, daß sich die Richterin - unter einseitiger Berücksichtigung von Auskünften und unzulässiger Würdigung des Antragstellervorbringens - frühzeitig dahingehend festgelegt hat, daß den Antragstellern weder Vorfluchtgründe zur Seite stehen, noch ihnen bei einer etwaigen Rückkehr in den Jemen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungsmaßnahmen drohen, sie nur aus wirtschaftlichen Gründen den Jemen verlassen haben und die wesentlichen Teile ihres Fluchtvortrags frei erfunden sind. Dies durchzieht das Verfahren wie ein roter Faden.