VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 29.12.1998 - 5 K 3019/95.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/13996
Leitsatz:
Schlagwörter: China, Christen (katholische), Familienangehörige, Vater, Haft, Religiös motivierte Verfolgung
Normen: GG Art. 16a
Auszüge:

Der Kläger ist als Asylberechtigter anzuerkennen.

Im vorliegenden Fall glaubt das Gericht dem Kläger zunächst, daß er römisch-katholischen Glaubens ist.

Vor dem Hintergrund der Situation der römisch-katholischen Christen in China ist auch die Schilderung des Klägers über sein persönliches Erleben nicht unglaubwürdig. Die Situation der vatikantreuen Christen, zu denen der Kläger sich bekennt, stellt sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen insbesondere in der Zeit, auf die sich die Schilderung des Klägers bezieht - 1992 - wie folgt dar:

Amnesty International berichtet in der Schrift "Volksrepublik China, die Anliegen von amnesty international 1992", S. 4, Nr. 92/1 der Dokumentation des Verwaltungsgerichts Aachen, daß die offizielle Kontrolle religiöser Aktivitäten 1991 zunahm. Auf nationaler wie auch lokaler Ebene seien Verordnungen erlassen worden, die die Religionsfreiheit einschränkten. Verhaftungen von römisch-katholischen Priestern, Bischöfen und Laien werden genannt, Störungen von Gottesdiensten, Verhaftungen zum Verhör von Christen und Mißhandlungen auch bei nur kurzzeitigen Festnahmen. In seinem Lagebericht Stand 15. Juni 1990, Nr. 90/3, hatte das Auswärtige Amt von einem Verbot der Anerkennung des Papstes als höchster Autorität berichtet. Wer sich auch öffentlich als romtreu zu erkennen gab, werde von der Regierung unerbittlich verfolgt und bekämpft.

Im Lagebericht, Stand 1. August 1994, Nr. 94/15, heißt es dann, daß Anhänger der vatikanischen sog. Untergrundkirche, die sich der staatlichen Beaufsichtigung entziehen, mit Verfolgung rechnen müßten. Je nach lokalen Gegebenheiten reiche sie von Hausdurchsuchungen bis zu langjährigen Gefängnisstrafen für Priester. Insgesamt habe sich die Lage der Religionsgemeinschaften und ihrer Mitglieder in den letzten Jahren verbessert, doch bleibe die Lage unsicher.

Als verbessert, jedoch weiter unsicher bezeichnet das Auswärtige Amt die Situation der nicht offiziell anerkannten christlichen Religionsgemeinschaften auch für die neuere Zeit. Lagebericht, Stand Dezember 1997, Nr. 97/46. Nach diesem Lagebericht konzentriert sich das staatliche Vorgehen vor allem auf die Fälle, denen durch die Tätigkeit der Glaubensgemeinschaft nach außen ein Bezug zur öffentlichen Ordnung unterstellt werde. Bloße Mitgliedschaft und Glaubensüberzeugung werde "in der Regel" nicht verfolgt.

Nach einer Auskunft des China-Zentrums e.V., Auskunft vom 22. Dezember 1997 an das VG Aachen, Nr. 97/47, gibt es im Bereich der katholischen Kirche die vom Staat anerkannte offizielle Kirche, der jedoch die Verbindung zum Vatikan untersagt ist, und die vom Staat verbotene, als "illegal" betrachtete katholische Kirche im "Untergrund". Wie streng die Behörden gegen "illegale religiöse Aktivitäten" vorgingen, sei lokal sehr unterschiedlich. Es komme immer wieder vor, daß nicht genehmigte religiöse Veranstaltungen (Messen) im katholischen "Untergrund" von den Sicherheitsbehörden aufgelöst würden, auch mit Gewalt, und Bischöfe, Priester, aber auch engagierte Laien inhaftiert würden."

Der Kläger hat maßvoll und daher glaubwürdig angegeben, daß z.B. die laienhafte, lokal beschränkte Propagandatätigkeit seines Vaters für das Christentum noch nicht zum Eingreifen der Behörden geführt hatte und daß zuvor auch schon Messen im Hause seines Vaters stattgefunden hatten, ohne daß es zu Repressionen gekommen sei. Sei es, daß diese Veranstaltungen nicht bekannt geworden waren, sei es, daß chinesische Dienststellen mit einer gewissen Unberechenbarkeit und nach dem Motto "Der Krug geht so lange zum Wasser, bis er bricht" nunmehr ein Exempel statuieren wollten, als zum wiederholten Male eine Messe mit einem auswärtigen Priester gelesen werden sollte, ist nachvollziehbar, daß sie nunmehr eingriffen. Dabei hat der Kläger seine eigene Rolle sowohl bei den religiösen Aktivitäten seines Vaters wie auch bei der religiösen Veranstaltung, die zum Eingreifen der Sicherheitsbehörden führte, nicht in den Vordergrund gestellt und nicht aufgebauscht, was für seine Glaubwürdigkeit spricht. Nicht er, sondern sein Vater war derjenige, der religiöse Propaganda machte und der die Messen in seinem Haus organisierte. Der Kläger war nur der Gehilfe seines Vaters. Bei der besagten Messe sollte auch nicht er, sondern sein Vater festgenommen werden.

Die Gefährdung des Klägers resultierte vielmehr dadurch, daß er seinen Vater vor der Festnahme schützen wollte und dadurch in Handgreiflichkeiten mit den Polizisten geriet und einen von ihnen schlug. Dadurch war er dann allerdings gefährdet, auch selbst verhaftet zu werden.

Nach Ansicht des Gerichts ist nicht auszuschließen, daß der Kläger deswegen auch bei einer Rückkehr nach China nach wie vor von Verhaftung bedroht ist.