LG Tübingen

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Zitieren als:
LG Tübingen, Beschluss vom 07.10.1998 - B 1 16/98 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/14170
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Portugiesen, Straftäter, Ausweisung, Illegale Einreise, Duldung, Rechtswidriger Aufenthalt, Abschiebungshaft, Abschiebungsvereitelung, Untertauchen, Soziale Bindungen, Sofortige Beschwerde
Normen: AuslG § 57 Abs. 2
Auszüge:

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist form- und fristgerecht eingelegt, somit zulässig und erweist sich auch als begründet. Ein Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 AuslG liegt hier nicht vor, da dieser Haftgrund voraussetzt, daß der Ausländer sich nach der unerlaubten Einreise bis zur Inhaftierung ununterbrochen rechtswidrig in der Bundesrepublik aufgehalten hat. Da dem Beschwerdeführer seit seiner Entlassung aus dem Strafvollzug im April dieses Jahres ständig ausländerrechtliche Duldungen erteilt wurden, liegen die Voraussetzungen für diesen Haftgrund nicht (mehr) vor.

Auch der Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Nr. 5 AuslG kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Die Anordnung von Abschiebungshaft aufgrund dieser Bestimmung setzt voraus, daß ausreichend konkrete Umstände festgestellt werden, die insgesamt betrachtet die Annahme rechtfertigen, der Ausländer wolle sich der Abschiebung entziehen.

Nachdem die Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen konnte, daß sich der Beschwerdeführer bei dem Versuch, ihn am 14. September 1998 zur Abschiebung abzuholen, außerhalb der der Ausländerbehörde bekannten Wohnung seiner Eltern befand, sondern nach der durchgeführten Beweisaufnahme realistischerweise die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer sich in dem außerhalb der unmittelbaren Wohnung seiner Eltern liegenden Zimmer aufgehalten hat, und deshalb das Klingeln und Klopfen der Polizeibeamten nicht hörte, ist als erhebliches Indiz für eine Absicht des Beschwerdeführers nur noch der Umstand zu bewerten, daß er sich im Sommer/Herbst 1997 für ca. 3-4 Monate illegal in Rottenburg und Umgebung nach seiner unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik aufgehalten hat. Demgegenüber können die früheren, sehr erheblichen Straftaten des Beschwerdeführers, die letztlich zur Verhängung einer Jugendstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten im Jahr 1988 führten, aufgrund der inzwischen vergangenen ca. 10 Jahre nicht mehr in dem Sinne berücksichtigt werden, daß bei ihm weiterhin eine so starke rechtsfeindliche Gesinnung vorliegt, die den Schluß rechtfertigen kann, er würde sich der Abschiebung entziehen. Bei der anzustellenden Gesamtwürdigung ist gegenüber dem genannten unrechtmäßigen Verhalten des Beschwerdeführers im Sommer/Herbst 1997 zu berücksichtigen, daß er sowohl die verwandtschaftlichen Beziehungen zu seinen Eltern als auch die freundschaftlichen Beziehungen zu seiner schwangeren Freundin in den Monaten seit der Entlassung aus der Strafhaft bis zu seiner Verhaftung in vorliegender Sache ausgebaut hat. Obwohl diese engen sozialen Beziehungen - die nach den Angaben des Beschwerdeführers die einzigen tragfähigen sozialen Beziehungen für ihn darstellen - Anhaltspunkte dafür liefern, daß er alles versuchen wird, um in Deutschland bleiben zu können, kann die daraus erkennbare Integration trotzdem nicht als weiteres Indiz für eine Entziehungsabsicht im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 5 AuslG angesehen werden.

Da somit ein Haftgrund für die Anordnung von Abschiebungshaft nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, war auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Freilassung anzuordnen.