VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 19.06.1998 - 3 K 3854/96.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/15970
Leitsatz:
Schlagwörter: Georgien, Gamsachurdia-Anhänger, Swiadisten, Druckerei, Flugblätter, Zeitschriften, Vorladung, Hausarrest, Demonstrationen, Übergriffe, Familienangehörige, Festnahme, Verfolgungszusammenhang, Legale Ausreise, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund
Normen: GG Art. 16a
Auszüge:

Die Klagen werden abgewiesen.

Der Kläger gab bei seiner Anhörung am 19. Juni 1996 an, er habe bis Februar 1993 als Drucker gearbeitet. Danach sei er nicht mehr zur Arbeit gegangen, weil er sich in Gefahr befunden habe. Die Druckerei sei beschossen worden. Er sei Anhänger Swiad Gamsachurdias gewesen und habe für diesen Zeitungen gedruckt. Er sei innerhalb der Druckerei dafür zuständig gewesen, dass die oppositionellen Presseerzeugnisse auch in entlegene Gebiet gelangten....

Den Klägern steht kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte zu, selbst wenn man ihr Vorbringen zu ihren Gunsten in vollem Umfange als wahr unterstellt.

Die von den Klägern zu 1. und 2. geschilderten Vorfälle zwischen 1991 und Juli 1995 - Hausarrest der Klägerin zu 2. in Ossetien, Vorladungen des Klägers zu 1., Aufsuchen der Klägerin zu 2. in Zchinwali, Schüsse auf die Druckerei, versuchte Kindesentführung, kurzfristige Festnahme des Bruders der Klägerin zu 2. und Aufsuchen der Mutter des Klägers zu 1. in Satschere - waren für ihre erst im Juni 1996 erfolgte Ausreise aus Georgien nicht kausal und können schon deshalb keine Berücksichtigung finden.

Darüber hinaus wird durch keinen der geschilderten Übergriffe der für eine Wertung als asylrelevante Verfolgungsmaßnahme erforderliche Intensitätsgrad erreicht. Die Kläger zu 1. bis 4. sind nicht in einer sie von der übrigen Bevölkerung unterscheidenden und damit aus der staatlichen Friedensordnung ausgrenzenden Art und Weise betroffen gewesen. Ihnen ist nichts widerfahren, was über den Charakter einer bloßen Belästigung hinausgeht und den Schluß auf ein ernsthaftes Verfolgungsinteresse staatlicher Sellen zuläßt. Hätte man des Klägers zu 1. wegen seiner Tätigkeit in der Druckerei tatsächlich habhaft werden wollen, dann wäre auf die Klägerin zu 2. und die Mutter des Klägers größerer Druck ausgeübt worden als dies vorliegend der Fall war. Insbesondere hätte es nahegelegen, diese zu verhaften - um den Kläger so dazu zu bewegen, sich zu stellen oder aber zumindest zu einer eingehenden Befragung zu seinen Aktivitäten und seinem Aufenhaltsort zu unterziehen. Dergleichen ist jedoch nicht geschehen.

Daß von offizieller staatlicher Seite nichts gegen die Kläger veranlaßt worden war, ergibt sich auch daraus, daß ihnen ohne weiteres ein Reisepaß ausgestellt wurde und sie Georgien unbehelligt über den Flughafen Tiflis verlassen konnten. Der dortige Grenzübergang wird streng kontrolliert, vgl. AA, Lagebericht vom 24. Oktober 1996 und Auskunft vom 22. Mai 1997 an das VG Bayreuth, so daß eine Ausreise nicht möglich gewesen wäre, wenn staatlicherseits tatsächlich ein konkretes Interesse an den Klägern bestanden hätte.

Entsprechendes gilt für die Klägerinnen zu 5. bis 7. Sie wurden weder zu irgendeiner Zeit verhaftet noch wurde überhaupt gezielt nach ihnen gesucht. Der fluchtauslösende Vorfall am 1. Dezember 1996, als ihr Auto vor der Stadt Gori angehalten wurde und es zu einem Schußwechsel kam, läßt den Schluß darauf, daß sie aufgrund ihrer oppositionellen Aktivitäten in das Blickfeld der georgischen Sicherheitskräfte geraten sind, nicht zu. Die Klägerinnen gerieten vielmehr nach ihren Schilderungen nur zufällig in diese Kontrolle und wurden dementsprechend auch nur zufällig von den Polizisten als Verteilerinnen von Oppositionszeitungen wiedererkannt. Aber auch nachdem die Polizisten sie erkannt hatten, wurden keine ernsthaften Verfolgungsmaßnahmen gegen sie eingeleitet.

Soweit sich die Klägerinnen auf die gewaltsame Auflösung einer Demonstration am 26. Mai 1996 berufen, an der sie teilgenommen haben, ergibt sich daraus nichts anders. Die Schläge, die sie dabei erlitten haben, sind allein auf die Bemühungen der Sicherheitskräfte zurückzuführen, die Demonstration aufzulösen, und können nicht als konkret gegen sie ergriffene Maßnahmen qualifiziert werden.

Auf die Tatsache der Asylantragstellung kann der Asylanspruch nicht gestützt werden. Aufgrunddessen droht bei einer Rückkehr nach Georgien nach der insoweit nahezu einhelligen Auskunftslage keine Verfolgung. Durch die Asylantragstellung im Ausland wird in Georgien weder ein Straftatbestand verwirklicht, noch führt dieser Umstand unter anderen Gesichtspunkten dazu, daß die Rückkehrer von staatlicher Seite etwas zu befürchten hätten.