VG Minden

Merkliste
Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 03.04.1998 - 5 K 3155/96.A - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/15978
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Folgeantrag, Christen (evangelische), Konversion, Religiös motivierte Verfolgung, Nachfluchtgründe, Interne Fluchtalternative, Existenzminimum
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts liegen in der Person der Beigeladenen hinsichtlich der Türkei zumindest die Voraussetzung des § 51 Abs. 1 AuslG vor, weil die Beigeladenen nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit ihres ersten ablehnenden Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland durch ihre Taufe am 9.7.1995 Christen geworden und zum evangelischen Glauben übergetreten sind.

Als solchen droht ihnen - zweitens - entgegen der Auffassung des Klägers bei Rückkehr in die Türkei eine im Rahmen von § 51 Abs. 1 AuslG, um den es vorliegend allein geht, beachtliche Verfolgung, die im Zusammenhang mit der früheren Entscheidung der Beklagten noch nicht berücksichtigt werden konnte.

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung werden evangelische Christen in einem Teil der Türkei verfolgt. Sie sind zumindest im ländlichen Bereich um Kösrali wegen ihres gruppenspezifischen Merkmals der Religionszugehörigkeit einer zielgerichteten kollektiven Verfolgung durch die moslemische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt und diese kollektive Verfolgung fällt auch in den Verantwortungsbereich des türkischen Staates.

Eine inländische Fluchtalternative in anderen Bereichen der Türkei bietet sich ihnen nicht. Es fehlt ihnen insbesondere die Möglichkeit, in der Westtürkei ihren Lebensunterhalt in menschenwürdigem Umfang auf Dauer zu bestreiten.

Die Rückkehrprognose im Falle der Beigeladenen hat sich daran auszurichten, dass sie nach ihrer zweifelsohne nicht von Verfolgung veranlassten Ausreise in der Bundesrepublik Deutschland zum evangelischen Glauben konvertiert sind und nunmehr auch in ihrer früheren Heimat auf ein Umfeld stoßen würden, dass gerade ihnen als Konvertiten gegenüber in besonderem Maße feindlich gesonnen ist. Die Nachteile und Gefahren, die einer jungen vom Islam zum Christentum übergetretenen geschiedenen Frau mit vier Kindern in dieser von einer moslemischen Bevölkerungsmehrheit dominierten Region drohen, sind nach Auffassung des Gerichts derart, dass zumindest der von der Beklagten zugebilligte Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zur Anwendung kommt.