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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 23.10.2001 - 2592109-243 - asyl.net:
https://www.asyl.net/rsdb/16732
Leitsatz:

Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG bezüglich Kenia für HIV-Infizierten im Stadium CDC C-3.

Schlagwörter: Kenia, Homosexuelle, HIV/Aids, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Gefahrenbegriff, Auslegung, Allgemeine Gefahr, Extreme Gefahrenlage, Medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Es liegt ein Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG bezüglich Kenia vor.

In Kenia sind 13,9 % der Bevölkerung HIV-infiziert. Das entspricht ca. 2,1 Millionen. Es handelt sich daher um eine Bevölkerungsgruppe, die hier gefährdet ist.

Der Antragsteller leidet an einer HIV-Infektion im Stadium CDC C-3. Infolge des vorliegenden Immundefektes ist es zu mehreren Erkrankungen gekommen, wobei die Behandlung einer Tuberkulose im Vordergrund steht. Die Therapie erfolgt mit den Präparaten Combivir und Sustiva. Die mittlere Lebenserwartung des Antragstellers, der einen schlechten Immunstatus hat, liegt bei etwa zwei bis drei Jahren ohne Therapie. Durch eine medikamentöse Behandlung kann sich das Immunsystem erholen und die Lebenserwartung auf zehn Jahre und länger verbessert werden.

Die Kosten für die notwendigen Medikamente betragen in Kenia ca. 5500 US-Dollar jährlich. Einen solchen Betrag können höchstens 2 % der Bevölkerung Kenias aufbringen. Der Antragsteller, der in einem Hotel als Kellner gearbeitet hat, wäre nicht in der Lage, die Medikamente zu finanzieren. Seine Lebenserwartung wäre damit nach der Prognose des behandelnden Arzts auf zwei oder drei Jahre reduziert, im Vergleich zu einer Lebenserwartung in der Bundesrepublik Deutschland von zehn Jahren und länger. Zudem würde sich der Gesundheitszustand des Antragstellers wohl in den zwei oder drei Jahren derart verschlechtern, dass dies mit schwersten Verletzungen gleichzusetzen wäre.

Da somit der Antragsteller im Falle einer Rückkehr nach Kenia in eine extreme Gefahrenlage geraten würde und eine Abschiebestoppregelung nach § 54 AuslG für HIV-Infizierte Ausländer aus Kenia nicht getroffen ist, ist hier § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG anwendbar. Ein Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG ist damit gegeben.

Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, darf nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 53 AuslG zugesprochen werden, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind, eine Abschiebung aber Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist nur bei einer extremen Gefahrenlage der Fall (BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 a.a.O.). Eine solche ist dann gegeben, wenn der einzelne Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würde (BVerwG Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324).

Sofern eine Abschiebestoppregelung nach § 54 AuslG für HIV-infizierte Ausländer nicht getroffen worden ist, ist abzuwägen, welche Auswirkungen im Einzelnen die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland und im Herkunftsland des Asylbewerbers auf dessen Gesundheitszustand und seine Lebenserwartung unter Berücksichtigung des derzeitigen Krankheitsstadiums voraussichtlich haben würden.