VG Frankfurt a.M.

Merkliste
Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 14.03.2001 - 1 E 943/00 (2) - asyl.net: C1663
https://www.asyl.net/rsdb/C1663
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Afghanen, Aufenthaltsbefugnis, Unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Familienangehörige, Eltern, Sozialhilfebezug, Unterhaltspflicht, Ausweisungsgrund, Konventionsflüchtlinge, Ermessen,Anfechtungsklage, Zulässigkeit, Rechtsschutzinteresse
Normen: AuslG § 35; AuslG § 24 Abs. 1 Nr. 6; AuslG § 46 Nr. 6; BGB § 1601
Auszüge:

Die Klage ist begründet.

Nach § 35 AuslG kann einem Ausländer, der seit acht Jahren eine Aufenthaltsbefugnis besitzt, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder Vermögen gesichert ist und die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 2 - 6 AuslG vorliegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG auch, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Die Beklagte hat es zu Unrecht unterlassen, die ihr durch § 35 Abs. 1 AuslG eingeräumte Ermessensentscheidung zu treffen. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eröffnung des Ermessensspielraums liegen sämtlich vor.

Einen Ausweisungsgrund sieht der Beklagte darin, dass die Eltern des Klägers Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Insoweit beruft er sich auf § 46 Nr. 6 AuslG. Danach kann ausgewiesen werden, wer für sich oder seine Familienangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten und denen er allgemein zum Unterhalt verpflichtet ist, Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muss. Der Kläger ist zwar nach § 1601 BGB seinen Eltern unterhaltspflichtig. Der Annahme eines Ausweisungsgrundes steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass der Kläger nicht für seine Eltern Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Vielmehr treten die Eltern selbst und persönlich als Antragsteller und Empfänger der Sozialhilfe auf. Indessen ist die gesetzliche Formulierung dahin auszulegen, dass ein Ausweisungsgrund schon dann vorliegt, wenn Familienangehörige, denen der Ausländer zum Unterhalt verpflichtet ist, Sozialhilfe in Anspruch nehmen oder in Anspruch nehmen müssen. Der Fall, dass jemand für andere Sozialhilfe in Anspruch nimmt, ist im Bundessozialhilfegesetz nicht vorgesehen.

Ein Ausweisungsgrund i.S.d. § 46 Nr. 6 AulsG liegt aber deshalb nicht vor, weil diese Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion dahin zu verstehen ist, dass ein Ausweisungsgrund dann nicht vorliegt, wenn es sich bei den Sozialhilfe beziehenden Familienangehörigen entweder um Deutsche handelt oder um Ausländer, die aufgrund spezieller ausländerrechtlicher Vorschriften auch wegen Sozialhilfebezugs nicht ausgewiesen oder abgeschoben werden dürfen. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Wie alle anderen Ausweisungsgründe auch, dient die Ausweisung wegen Inanspruchnahme von Mitteln der Sozialhilfe der Gefahrenabwehr - hier in Gestalt der Gefahr, weiterer Belastung öffentlicher Haushalte - und nicht etwa der Sanktion nicht erbrachter Unterhaltsleistungen.

Die Eltern des Klägers genießen den Genfer Flüchtlingsstatus und dürfen deshalb nach Art. 23 der Genfer Flüchtlingskonvention Sozialhilfe wie Deutsche in Anspruch nehmen. Sie dürfen deshalb insoweit nicht diskriminiert werden und verlieren durch den Bezug der Sozialhilfe auch nicht den ihnen anerkannten Status. Die Ausweisung des Klägers würde diese Gefahr nicht beseitigen. Folglich liegt für den Kläger insoweit kein Ausweisungsgrund vor.