VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.02.2001 - A 9 S 2007/99 - asyl.net: M0008
https://www.asyl.net/rsdb/M0008
Leitsatz:

Wurde die Bundesrepublik Deutschland durch Urteil rechtskräftig zur Feststellung verpflichtet, dass hinsichtlich eines bestimmten Staates Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen, darf das Bundesamt die daraufhin von ihm getroffene Feststellung nur widerrufen, wenn sich seit Ergehen des Urteils die Gefährdungslage in diesem Staat unter dem Gesichtspunkt der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK so nennenswert verändert, nämlich verbessert hat, dass auf sie die vom Verwaltungsgericht rechtskräftig angenommene Verfolgungsprognose nicht mehr gestützt werden kann (im Anschluss an BVerwG, Urteil v. 23.11.1999 - BVerwGE 110, 111 - und Urteil vom 19.092000 - 9 C 12.00 -).

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Togo, Abschiebungsschutz, Widerruf, Änderung der Sachlage, Verfolgungsprognose, Rechtskraft, Zuständigkeit, Bundesamt, Bindungswirkung, Urteil, Umdeutung, Rücknahme, Situation bei Rückkehr, Antragstellung als Asylgrund, Exilpolitische Betätigung
Normen: AuslG § 53 Abs. 4; AsylVfG § 73 Abs. 3; VwGO § 121
Auszüge:

Hinsichtlich der danach maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse in Togo ist keine Änderung festzustellen. Zwar haben sich, wie bei politischen Abläufen üblich, kleinere Änderungen und Verschiebungen der Gewichte ergeben. Die für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen wesentlichen Faktoren, wie die allgemeine politische Lage in Togo, die Herrschaft des Präsidenten Eyadéma und seiner Partei RPT über Togo, die allgemeine Menschenrechtslage und in erster Linie die Verhaltensweise des Regimes gegenüber nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union abgeschobenen Togoern, haben sich jedoch nicht erheblich geändert. Ebenso wenig wie zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats begründeten im November 1995 allein die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland und der Auslandsaufenthalt für einen in seinen Heimatstaat zurückkehrenden Togoer das "ernsthafte Risiko" einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung.

Auch die Vorgeschichte des Widerrufsbescheid, wie sie sich aus der Bundesamtsakte ergibt, lässt im Übrigen darauf schließen, dass es dem Bundesamt mit dem Widerruf nicht darum ging, einer nachträglichen Veränderung der für die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG erheblichen Sachlage Rechnung zu tragen. Anlass war vielmehr die Tatsache, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen inhaltlich von den Urteilen des 13. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 03.07.1996 - A 13 S 578/96 - und 05.12.1996 - A 13 S 578/96 - abwich, in denen dieser - wie auch alle anderen Obergerichte - entschieden hatte, dass die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland und der Auslandsaufenthalt für togoische Staatsangehörige im Hinblick auf ihr Heimatland keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG begründen; an diese inzwischen zu Togo ergangene Rechtsprechung sollte die rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts nachträglich angepasst werden. Mit einem Widerruf kann jedoch kein im gerichtlichen Verfahren versäumter Rechtsbehelf "nachgeholt" werden.