VG Cottbus

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Zitieren als:
VG Cottbus, Beschluss vom 30.12.1998 - 5 L 361/98.A - asyl.net: M0667
https://www.asyl.net/rsdb/M0667
Leitsatz:
Schlagwörter: Vietnam, Folgeantrag, Exilpolitische Betätigung, Demokratische Organisation Vietnams, Demonstrationen, Auslandsvertretung, Canh-En, Publikationen, Überwachung im Aufnahmeland, Situation bei Rückkehr, Strafverfolgung, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Abänderungsantrag, Suspensiveffekt
Normen: VwGO § 80 Abs. 7; AsylVfG § 71 Abs. 1; VStGB Art. 82
Auszüge:

Der Antragsteller zu 1) hat sich nach Abschluss des Asylverfahrens exilpolitisch betätigt. Nach den von den Antragstellern vorgelegten Unterlagen ist der Antragsteller zu 1) im März 1997 der Demokratischen Organisation Vietnams beigetreten.

Weiter haben die Antragsteller eine Bestätigung eines "Komitees für die Koordination der Aktivitäten der osteuropäischen Vietnamesen in der BRD" vom 30. März 1998 eingereicht, der zufolge der Antragsteller zu 1) am 28. März 1998 an einer Konferenz dieses Komitees in Speyer teilgenommen hat. Nach dem Vortrag der Antragsteller, der insoweit auch durch Photographien und eine weitere Bestätigung des "Komitees für die Koordination der Aktivitäten der osteuropäischen Vietnamesen in der BRD" vom 2. Juni 1998 untersetzt ist, hat der Antragsteller zu 1) des weiteren an verschiedenen Demonstrationen und Kundgebungen vor der vietnamesischen Botschaft in Bonnteilgenommen. Darüber hinaus haben die Antragsteller nunmehr u.a. geltend gemacht, dass der Antragsteller zu 1) seit Januar 1998 als Mitarbeiter der Demokratischen Organisation Vietnams und einer "Canh-En Zeitung" tätig sei, in deren Nummer 78 er einen Aufsatz mit dem Thema "Wer gibt der Partei diese Alleinherrschaft?" verfaßt habe.

Die danach bestehende Möglichkeit einer politischen Verfolgung der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Vietnam kann mit Blick auf die exilpolitische Betätigung des Antragstellers zu 1) nicht (mehr) mit der hier erforderlichen Gewißheit ausgeschlossen werden. Denn eine hierfür notwendige zweifels- und widerspruchsfreie Auskunftslage liegt, anders, als dies noch bei Erlaß des hier abzuändernden Beschlusses vom 9. Februar 1998 (4 L 690/97.A) der Fall gewesen ist, zum jetzigen Zeitpunkt nicht (mehr) vor. Zwar besteht nach der auf dem Auskunftsstand Ende 1997 beruhenden - soweit ersichtlich einheitlichen - obergerichtlichen Rechtsprechung eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer drohenden politischen Verfolgung bei einer Rückkehr nach Vietnam dann nicht, wenn sich der Ausländer nicht in herausgehobener Weise exilpolitisch betätigt hat. Einfache exilpolitische Betätigungen sind danach, auch wenn sie intensiv betrieben worden sind, unbeachtlich (vgl. Hess. VGH, U.v. 24.11.1997 - 13 UE 1356/93 -; OVG NW, U.v. 02.12.1997 - 1 A 246794 -; so auch die bisherige Rechtsprechung der zuständigen Kammer, vgl. nur B.v. 28.01.1998 - 4 L 19/98.A -). Dem steht jetzt allerdings die neuere Auskunftslage entgegen. In dem oben genannten Gutachten des Dr. Will vom 02.04.1998 ist unter der Textziffer 1. ausgeführt, dass aufgrund der sich gegenwärtig vollziehenden Entwicklung davon auszugehen sei, dass die Teilnahme an regimekritischen Veranstaltungen in Deutschland zu einer Bestrafung führen werde, wobei sich die aktive Mitgliedschaft in einer regimekritischen Organisation strafverschärfend auswirke. In dem Gutachten wird des weiteren betont, dass alle regimekritischen Aktivitäten von Mitarbeitern der vietnamesischen Botschaft überwacht würden (vgl. Textziffer 2. zu dem Gutachten vom 02.04.1998, a.a.O.). Auch wenn hinsichtlich einer vollständigen Überwachungsdichte und einer generellen Strafverfolgung seitens der vietnamesischen Strafverfolgungsbehörden Zweifel bestehen, weil es zum einen an den entsprechenden Möglichkeiten und den hierzu erforderlichen Kräften fehlen dürfte und zum anderen das Interesse des vietnamesischen Staates an einer umfassenden Strafverfolgung mit Blick auf seine Reformpolitik und auf die politische und ökonomische Öffnung als gering einzuschätzen sein dürfte (in diesem Sinne Gutachten des Prof. Dr. Lulei an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) vom 24.02.1998; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 04.02.1998, a.a.O.), so genügt dies allein nicht, um die in dem Gutachten vom 02.04.1998 getroffenen Aussagen zu widerlegen, zumal die Möglichkeit einer Bestrafung nach Art. 82 StGB-VN für in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführte exilpolitische Betätigung besteht und diese durch die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Vietnam getroffenen bilateralen Vereinbarungen nicht ausgeschlossen worden ist (vgl. nunmehr auch Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 01.10.1998 - 5 <4> L 637/97.A -).