OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12.06.2001 - 8 L 516/97 - asyl.net: M0734
https://www.asyl.net/rsdb/M0734
Leitsatz:

1. Angehörige der Volksgruppe der Roma sind gegenwärtig und auf absehbare Zeit im Kosovo keiner politischen Verfolgung ausgesetzt.

Für sie bestehen auch keine Abschiebungshindernisse i.S.d. § 53 AuslG (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Beschl. vom 22.03.2001 - 8 L 5280/07 -).

2. Mitglieder von Familien, die aus ethnischen Albanern und albanisch sprechenden Roma bestehen, können gegenwärtig ebenfalls keinen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG beanspruchen.(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Jugoslawien, Kosovo, Roma, Albaner, Mischehen, Gruppenverfolgung, UNMIK, KFOR-Truppen, Gebietsgewalt, Interne Fluchtalternative, Existenzminimum, Verfolgung durch Dritte, Mittelbare Verfolgung, UCK, Quasi-staatliche Verfolgung, Zurechenbarkeit, Schutzbereitschaft, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Allgemeine Gefahr, Extreme Gefahrenlage, Erlasslage, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, Reisewege
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Die Kläger können Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ferner dann nicht beanspruchen, wenn der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) und 3) - wie behauptet - Roma sein sollte und sie mit diesem im Kosovo in einer gemischt-ethnischen Familie zusammenleben würden. Der UNHCR weist in dem Bericht "UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" vom März 2001 allerdings darauf hin, dass Kosovo-Albaner in Mischehen im Kosovo mit ernsthaften Problemen in Bezug auf Sicherheit und Rechtsschutz konfrontiert seien, wozu Schikanen, Gewalt, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung im Gesundheits- und Bildungswesen, beim Zugang zu Versorgungsunternehmen und auf dem Arbeitsmarkt zählten. Er betont zudem, dass die Situation dieser Personen in vielen Beziehungen unsicherer als die von Mitgliedern homogener Minderheitenfamilien sei, da sie häufig von beiden ethnischen Gruppen, in denen sie Vorfahren haben, ausgeschlossen würden und Angriffen auf ihre Person ausgesetzt seien. Diese Darstellung zeigt, dass Kosovo-Albaner in Mischehen bei einer Rückkehr mit ernsthaften Sicherheitsproblemen konfrontiert sind. Sie rechtfertigen jedoch nicht die Annahme, dass für diesen Personenkreis eine extreme allgemeine Gefahrenlage vorliegt, die bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu berücksichtigen wäre. Dies kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass der UNHCR aufgrund der von ihm beschriebenen Situation lediglich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass diese Personen nicht in den Kosovo zurückkehren s o l l t e n. Der UNHCR hat hingegen nicht erklärt, dass eine Rückkehr angesichts der prekären Sicherheitslage für diese Personen unter keinen Umständen zu verantworten sei. Außerdem hat er in seiner Auskunft vom 20. April 2001 an das beschließende Gericht unter Hinweis auf ernsthafte Sicherheitsprobleme für Kosovo-Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft zum Ausdruck gebracht, dass er sich für sorgfältige Prüfungen im Einzelfall einsetzt.

Der Annahme einer extremen Gefahrenlage steht ferner entgegen, dass nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das beschließende Gericht vom 8. Mai 2001 die albanisch sprechenden "albanischen" Roma im Kosovo als eine Art "Albaner zweiter Klasse" angesehen, letzlich aber als die ihren betrachtet werden. Das Auswärtige Amt betont, dass dies insbesondere für den heutigen Hauptsiedlungsraum Prizren, in dem auch der gewählte Führer der "albanischen" Roma wohnt, gelte. Daraus ist zu schließen, dass jedenfalls in Teilen des Kosovo keine extreme Gefahrenlage für die Mitglieder von Familien vorhanden ist, die - wie der Kläger - aus ethnischen Albanern und albanisch sprechenden Roma bestehen.