Flüchtlingsanerkennung für tibetische Volkszugehörige, die durch Spenden und Aktivitäten die Exilregierung des Dalai Lama unterstützt haben.
Flüchtlingsanerkennung für tibetische Volkszugehörige, die durch Spenden und Aktivitäten die Exilregierung des Dalai Lama unterstützt haben.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Klage ist zulässig und hat auch teilweise Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2003 ist zum Teil rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Sie haben einen Anspruch auf die Feststellung, dass in ihrer Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Stellt ein Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) ist ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen; dies hat das Bundesamt zu prüfen (§ 71 Abs. 1 AsylVfG).
Die Kläger haben in ihrem Asylfolgeantrag vom 30. September 2003 erklärt, sie würden von ihrer Heimatvertretung keine Pässe erhalten, da diese davon ausginge, dass die Kläger den Dalai Lama unterstützten, was durch die Existenz des sogenannten "grünen" Buches dokumentiert werde. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens wurden dann auch Erklärungen der Zentralstelle Rückführung bei der Regierung von Oberbayern sowie des Büros des Dalai Lama eingeholt. Zusammenfassend ergab sich im Rahmen der vom Ausländeramt der Stadt Hof angestrengten Passbeschaffungsbemühungen für die Kläger, dass wohl aufgrund der Erklärungen des Dalai Lama und der Existenz und nunmehrigen neuen Bewertung der Spendenbücher eine Rückführung nach China für die Kläger nicht möglich sein werde, da diese keine Reisepässe von der Botschaft Chinas erhalten würden. Die letzte verfahrensrelevante Äußerung hierzu stammt vom 26. August 2003 von der Zentrale Rückführung der Regierung von Oberbayern an die Stadt Hof. Wann die Kläger das Ergebnis dieser Ermittlungen erhielten, ist den Akten nicht zu entnehmen. Dies ist jedoch für die Einhaltung der Frist des § 51 Abs. 2 VwVfG auch unerheblich, da die Kläger bereits am 30. Oktober 2003 und damit innerhalb der 3-Monats-Frist einen Folgeantrag gestellt hatten.
Entgegen der Auffassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stützt sich das nunmehrige Vorbringen der Kläger nicht allein auf die bloße Existenz der sog. "grünen" Spendenbücher. Die Kläger führen aus, dass sie keine Pässe erhalten können, was sich durch die Ermittlungen des Ausländeramts der Stadt Hof herausgestellt habe. Damit liegt ein neuer Sachverhalt vor, nämlich die Weigerung des Heimatstaates der Kläger, diesen aufgrund ihres Engagements für Tibet eine Einreise zu verweigern. Da ein derartiges Verhalten der Behörden des Herkunftslandes eine asylerhebliche Rechtsbeeinträchtigung im Sinn von § 60 Abs. 1 AufenthG darstellen kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 24. Juli 2006, Az.: 9 B 02.30100 und Urteil vom 4. Juli 2005, Az.: 9 B 03.30238) , und sich das Vorbringen der Kläger in diesem Punkt als schlüssig und glaubhaft darstellt, hätte das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration ein weiteres Asylverfahren durchführen müssen und die Kläger zu ihren Asylgründen anhören müssen.
Es ist zwar eindeutig, dass die Kläger bereits im ersten Asylverfahren die Existenz der Spendenbücher vorbrachten, welche asylerheblichen Folgen sich daraus ergeben, wurde jedoch damals nicht geprüft. Nunmehr zeigt sich im Zusammenhang mit der tibetischen Volkszugehörigkeit und der Spendentätigkeit der Kläger, die in den Spendenbüchern dokumentiert ist, dass den Klägern wohl die Einreise nach China verweigert werden wird und sie von den dortigen Behörden als Separatisten eingestuft werden.
Aus dem von Gericht eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die Kläger zu 1) und 2) aufgrund ihrer tibetischen Volkszugehörigkeit und der langjährigen Unterstützung der Exilregierung des Dalai Lama, die den chinesischen Behörden höchstwahrscheinlich bekannt ist, bei einer Rückkehr nach Tibet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Inhaftierung unter besonders harten Bedingungen und möglicherweise auch der Folter durch die chinesischen Behörden ausgesetzt sind.
Die Kläger haben im Ausland die Exilregierung des Dalai Lama finanziell und auch in sonstiger Weise (Treffen, Demonstrationen) unterstützt. Wenn in früheren Verfahren noch davon ausgegangen worden ist, dass die Existenz der Spendenbücher für sich genommen keinerlei Auswirkungen auf das persönliche Schicksal eines tibetischen Volkszugehörigen hat und vielleicht lediglich zur Glaubhaftmachung seiner Volkszugehörigkeit angesehen wurde, hat sich diese Sichtweise in jüngster Vergangenheit geändert. Das Spendenbuch dient nicht nur dazu, die Volkszugehörigkeit zu dokumentieren, sondern vor allem auch, die finanzielle Unterstützung der Exilregierung des Dalai Lama nachzuweisen.
Wie der vom Gericht bestellte Gutachter in seinem Gutachten vom 24. Juli 2006 ausführt, ist davon auszugehen, dass die chinesischen Behörden wissen, welche Personen Träger des Spendenbuches sind und damit auch, wer die Exilregierung des Dalai Lama unterstützt. Unterstützer der Exilregierung aber werden von den chinesischen Behörden als Separatisten angesehen, was die Gefahr schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen mit sich bringt. Gerade die Kläger, die nunmehr seit mehr als zwanzig Jahren im Ausland leben, würden bei einer Rückkehr nach China sicherlich ins Blickfeld der Behörden geraten und größere Nachforschungen seitens der Behörden hinsichtlich ihres bisherigen Verbleibs und ihres Tuns auslösen. Es ist damit wahrscheinlich, dass ihr Engagement für die Exilregierung den chinesischen Behörden bekannt wird. Diese werden die Kläger als Separatisten einstufen, was, wie der Gutachter ausführt, zu menschenunwürdiger Inhaftierung, Misshandlungen und Folter führt.
Es mag zwar der Fall sein, dass ein nach China zurückkehrender ehemaliger Asylbewerber wegen einer einzigen Teilnahme an einer regierungskritischen Demonstration im Ausland von den chinesischen Behörden nicht belangt wird, wie dies die Beklagte unter Vorlage einer Auskunft des Auswärtigen Amtes zu belegen versucht. Auch im bereits angeführten Lagebericht des Auswärtigen Amtes wird hierzu ausgeführt, dass insbesondere führende Persönlichkeiten, die sich gegen die chinesische Regierung wenden und eine dementsprechende Medienresonanz auslösen, mit Überwachung oder Inhaftierung rechnen müssen. Daneben haben aber auch Angehörige ethnischer Minderheiten, sofern sie nach chinesischem Verständnis als Separatisten einzustufen sind, unter vergleichbaren Verfolgungshandlungen zu leiden. Es kann damit offen bleiben, ob allein die Anzahl der Demonstrationen, an denen die Kläger teilgenommen haben, ausreichend gewesen ist, um die Aufmerksamkeit der chinesischen Behörden zu wecken. Bereits die Kombination der langjährigen Unterstützung der Exilregierung mittels Spenden, die langjährige Abwesenheit der Kläger aus ihrem Heimatland und ihre möglicherweise doch den chinesischen Behörden zur Kenntnis gelangte Teilnahme an verschiedenen Aktivitäten zugunsten des Dalai Lama lassen die Wahrscheinlichkeit steigen, dass die chinesischen Behörden Erkundigungen über die Kläger einholen und sie als Separatisten betrachten, was zur Folge hat, dass sie bei einer Wiedereinreise nach China mit einer menschenrechtsunwürdigen Behandlung zu rechnen haben.